HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zu Guido Westerwelle
Geschrieben am 29-08-2011 |
Hamburg (ots) - Ein Kommentar von Egbert Nießler
Guido Westerwelles Ausrutscher auf dem diplomatischen Parkett
begannen schon einen Monat vor seinem Antritt als Außenminister. Auf
der ersten Pressekonferenz nach dem grandiosen
14,6-Prozent-Wahlerfolg seiner Liberalen beschied er einen
BBC-Journalisten, dass auf deutschen Pressekonferenzen Deutsch
gesprochen werde. Sachlich richtig - in der Form aber so uncharmant
vorgetragen, dass seit diesem Tag nie wieder die Zweifel verstummten,
ob er denn bei der Berufswahl die nötige Sorgfalt habe walten lassen.
Wegen seines vehementen Einsatzes in Steuerfragen vermuteten viele in
ihm eher den neuen Wirtschafts- oder Finanzminister. Auf diesem Feld
versuchte er sich bei seinen ersten Auslandsreisen - und protegierte
dabei ausgerechnet Firmen und Unternehmer, die ihm persönlich
nahestanden. Was natürlich nicht ohne Kritik blieb. Auf dem
Landesparteitag der nordrhein-westfälischen FDP versuchte er zu
kontern. "The published opinion is not always the public opinion"
("Die veröffentlichte Meinung ist nicht immer die öffentliche
Meinung"), rief er sichtlich ?erregt und begeistert ob seiner
kommenden Pointe auf die in den hinteren Reihen sitzenden
Medienvertreter deutend in den Saal. Und fügte hinzu: "That's
English. Ihr kauft mir den Schneid nicht ab." Die Presse hat das
tatsächlich nicht geschafft - falls es je ihre Absicht gewesen sein
sollte. Es ist eine der wenigen Leistungen, die sich ?Westerwelle in
seiner Zeit als Außenminister allein auf die eigene Fahne schreiben
kann. Und führten alle bisherigen Fauxpas lediglich zum Verlust von
Parteivorsitz und Vizekanzlerschaft sowie zu erheblicher
innerparteilicher Verstimmung, geht es seit dem Nein zum Nato-Einsatz
in Libyen für den Außenminister um die politische Existenz.
Westerwelle hat es nicht nur geschafft, seine Partei wieder unter die
Fünf-Prozent-Marke zu bringen und als Außenminister das untere Ende
der Beliebtheitsskala zu erreichen, er hat Deutschland auch gegen
seine Verbündeten positioniert, dann viel zu lange gebraucht, diesen
Fehler halbherzig einzugestehen - und das nur unter erheblichem
Druck. Dass er jetzt nicht sofort gehen muss, liegt zuallerletzt an
den bevorstehenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und
Berlin. Dort ist die Bedeutung der Liberalen ohnehin kaum im
messbaren Bereich. Es liegt vielmehr an den mangelnden personellen
Alternativen in seiner Partei. Jedes Revirement würde Lücken an
anderer Stelle reißen. Und es liegt daran, dass Westerwelle zwar
Außenminister ist, die Richtlinien der Politik aber von der
Bundeskanzlerin bestimmt werden. Der Anteil Angela Merkels an der
Libyen-Entscheidung ist bisher ungeklärt. Hat sie ihrem Minister die
Richtung vorgegeben, ist es vor allem ihr Problem; hat sie sich
überreden oder überrumpeln lassen, ebenso. Wie auch immer, ein
erfahrener und weitsichtiger deutscher Chefdiplomat hätte alles dafür
tun müssen, zu einem anderen Entschluss zu kommen. Nun ist
Westerwelle noch im Amt, weil sich die Koalition mitten in der
Euro-Krise und nach mäßiger Halbzeitbilanz nicht eine weitere
Großbaustelle leisten kann. Und die Bundesrepublik ist um die
Erkenntnis reicher, dass ein überaus erfolgreicher Parteisoldat, der
sich auf seinem Weg nach oben durch Beharrlichkeit auszeichnete, sich
von Rückschlägen nicht entmutigen ließ und erfolgreich alle
Konkurrenten und Hindernisse ausräumte, nicht automatisch ein guter
Staatsmann sein muss. Für Westerwelle war am 27. September 2009, dem
Tag der Bundestagswahl, um es noch einmal auf Englisch zu sagen,
"Mission accomplished", der Auftrag erfüllt. Längerfristig im Amt zu
bleiben gleicht eher einer "Mission impossible" - ist, frei
übersetzt, schwer vorstellbar.
Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de meinung@abendblatt.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
349335
weitere Artikel:
- Westdeutsche Zeitung: Das Bevölkerungswachstum und seine Folgen - Kein Grund für apokalyptische Visionen
Ein Kommentar von Stefan Küper Düsseldorf (ots) - Die Angst vor einer übervölkerten, vom Hunger
gequälten Welt ist nicht neu. Der britische Ökonom Thomas Malthus
löste schon 1798 mit seiner Bevölkerungstheorie große Ängste aus. Die
These: Mit dem Anstieg der Nahrungsmittelproduktion wachse auch die
Bevölkerung - allerdings steige die Zahl der Menschen viel schneller
als die Menge der verfügbaren Nahrungsmittel. Die Folge seien Hunger,
Elend und Krieg. Heute leben mehr als sieben Mal so viele Menschen
auf der Welt wie zu Malthus' Zeiten - und dennoch sind seine
apokalyptischen mehr...
- Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zur elektronischen Fußfessel Stuttgart (ots) - Keiner hat je behauptet, dass die elektronische
Fußfessel alle Probleme lösen wird. Aber sie erleichtert die
Überwachung und schreckt ab. Natürlich muss eine enge Zusammenarbeit
mit der Polizei gewährleistet sein, und natürlich sind es im Notfall
wieder die Ordnungshüter, die eingreifen müssen. Den Einsatz moderner
Technik aber nur deshalb abzulehnen, weil nicht die Polizei direkt
darüber verfügen wird und man andernfalls als Gewerkschaft leichter
mehr Personal fordern könnte, ist doch etwas durchsichtig.
Pressekontakt: mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur katholischen Kirche Bielefeld (ots) - Die Katholische Kirche ist nicht gerade bekannt
dafür, ihre Strategie nach Umfragen auszurichten. Folglich werden
auch die jüngsten Befunde der Meinungsforscher kaum zu hektischen
Reaktionen im Vatikan führen. Das ist gut, denn Demoskopie-Hörigkeit
wird der Kirche kaum aus der Krise helfen. Gleichwohl täte der
Vatikan gut daran, die neusten Zahlen genau zu studieren. Neben den
sattsam bekannten Wünschen nach Reformen muss es die Kirchenlenker
besonders nachdenklich stimmen, dass so viele Menschen den Umgang mit
den mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Anwachsen der Weltbevölkerung Bielefeld (ots) - Sieben Milliarden Menschen. Das ist
beängstigend. Oder nicht? Wo große Zahlen sind, sind auch große
Sorgen. Das ist normal. Doch wir sollten uns weder von diesem Rekord
Bange machen lassen, noch von den Prognosen für kommende Jahrzehnte.
Die weitaus meisten dieser Menschen wollen nur, was wir alle wollen.
Trinken, Essen, Liebe, Sicherheit und Wohlstand. Sollen all diese
Menschen ihre Bedürfnisse verwirklichen können, muss das organisiert
werden. Derzeit organisieren wir im reichen Westen die dafür
notwendigen Mittel mehr...
- Rheinische Post: Japans Schwächen Düsseldorf (ots) - Es war ein Kennzeichen der Liberaldemokraten,
der ewigen japanischen Regierungspartei, dass sie regelmäßig nach
kurzer Zeit ihren Regierungschef austauschte. So kam der Inselstaat
auf fast ebenso viele Wechsel im wichtigsten Amt des Staates wie das
notorisch instabile Italien. In Wirklichkeit herrschte aber in Japan
eine Riege mächtiger Regierungsbürokraten und Partei-Hintermänner,
deren Einfluss immer intransparent blieb. Mit dem Wechsel zur bislang
oppositionellen Demokratischen Partei schien zunächst ein anderer mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|