Mittelbayerische Zeitung: Es ist an der Zeit, die rosarote Brille abzunehmen
Leitartikel zum Ausbau der Atomkraft in Tschechien
Geschrieben am 05-10-2011 |
Regensburg (ots) - Die tschechische Regierung müsste eine Gruppe
Verrückter sein, wenn sie sich auf so etwas einlassen würde." Das
sind die Worte, die der tschechische Ministerpräsident Petr Necas
kürzlich für den deutschen Atomausstieg gefunden hat. Versetzt man
sich einmal in die Lage Tschechiens und betrachtet die Energiewende
in Deutschland aus deren Sicht allein durch die wirtschaftliche
Brille, wird klar, welche Rechnung hinter der Aussage des
tschechischen Regierungschefs steckt: Deutschland wird den Umstieg
auf erneuerbare Energien nicht schaffen und spätestens dann, wenn im
Land die Lichter ausgehen, auf den Zukauf tschechischen Atomstroms
angewiesen sein. Für ein Land wie Tschechien, dessen Wirtschaft
momentan mehr oder weniger dahin dümpelt, ist die Aussicht,
massenhaft Strom zu exportieren zu können, natürlich äußerst
reizvoll. So reizvoll, dass die tschechischen Politiker selbst nach
den verheerenden Reaktorunglücken in Tschernobyl und Fukushima nicht
einmal ansatzweise auf die Idee kommen, den Fokus nicht nur auf die
möglichen Gewinne, sondern auch auf die möglichen Gefahren der
Atomkraft zu legen. Dass Deutschland nach Fukushima die Kernkraft
hinter sich lassen möchte, sei, so ist man in Prag überzeugt,
hauptsächlich der "German Angst" geschuldet und eine Überreaktion,
die sich rational nicht fassen lässt. In Tschechien müsse man sich
indes keine Sorgen machen. Schließlich drohten in Mitteleuropa weder
ein Erdbeben noch ein Tsunami, lässt das Prager Umweltministerium
verlauten. Die Atomkraft könne mit ihren niedrigen Emissionen sogar
einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Und zwei Drittel der
tschechischen Bevölkerung pflichten dem bei. Dass es im südböhmischen
Atomkraftwerk Temelin etwa 150 Störfälle gegeben hat, lässt die
Tschechen offenbar kalt. Doch Tschechien macht einen Fehler, wenn es
die Atomkraft weiter allein als nationale wirtschaftliche Verheißung
betrachtet. Nicht nur, weil die Rechnung mit den Atomstromexporten
nach Deutschland auf lange Sicht nicht aufgehen wird. Denn laut
Statistischem Bundesamt exportiert Deutschland noch immer mehr Strom
als es importiert - und das, obwohl acht Atomkraftwerke abgeschaltet
wurden. Auch die Einführung höherer Sicherheitsstandards für
Atomkraftwerke vonseiten der EU könnte den Tschechen einen Strich
durch die Rechnung machen. Millionenschwere Mehrkosten schrecken
Investoren ab und erhöhen den Preis für den vermeintlich so billigen
Atomstrom. Und offenbar gibt es bereits jetzt Probleme bei der
Vertragsvergabe für den geplanten Ausbau des Atomkraftwerks Temelin.
So ist laut einem Regierungssprecher kein Bewerber in der Lage, den
Ausbau im vorgesehenen Zeitraum und zum vorgesehen Preis zu
verwirklichen. Tschechien sollte die rosarote Brille abnehmen. Die
Aussicht auf kurzfristige Gewinne sollte Prag nicht dazu verleiten,
sich nur auf die Kernkraft zu verlassen - eine Art der
Energiegewinnung, deren finanzielle und ökonomische Kosten bei einer
ehrlichen Rechnung den Nutzen weit überwiegt. Um in der Terminologie
von Petr Necas zu bleiben: Ein wenig Verrücktheit würde der
tschechischen Regierung nicht schaden. Dann nämlich würde sie
realisieren, dass sich nicht allein mit Atomstrom, sondern
langfristig vor allem mit innovativen Methoden der Energiegewinnung
Geld machen lässt.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
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