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Schwäbische Zeitung: Zeichen in lauter Zeit - Leitartikel

Geschrieben am 06-10-2011

Leutkirch (ots) - Jedes Jahr diesselbe Prozedur: Keiner weiß was,
aber alle sagen was: Wer könnte diesmal vom noblen Nobel-Komitee für
preiswürdig erachtet werden? Benennen Sie die üblichen Verdächtigen
oder machen Sie einen erfrischend unkonventionellen Vorschlag! Wie
wär's mit Bob Dylan? Doch die alten Schweden lassen sich nicht in die
Karten schauen. Ihre Entscheidungen sind eigentlich immer für
Überraschungen gut. Wer hatte Wislawa Szymborska auf der Liste, wer
Harold Pinter? Bestseller-Autoren und Vielschreiber sind nicht
automatisch im Visier der Jury. Der Preis für den Peruaner Vargas
Llosa vergangenes Jahr war da eher die Ausnahme.

Mag die Entscheidung für Tomas Tranströmer außerhalb Skandinaviens
auch verblüffen, so könnte sie doch als Bekenntnis interpretiert
werden - als Bekenntnis zur leisen Kunst der Lyrik. Sprache, so heißt
es, ist für Tranströmer nie Mittel zum Zweck gewesen, um sich für
oder gegen etwas auszusprechen. Seine Gedichte gelten als extrem
verknappte Worterkundungen, Reflexionen über Sprache. Lyrik ist kein
literarisches Fastfood, sondern braucht Zeit, viel Zeit - zum
Schreiben wie zum Lesen. Insofern haben die Schweden mit der
Auszeichnung das Augenmerk auf eine Kunst gelenkt, die in unserem
medienüberfluteten, überreizten Alltag unterzugehen droht.

Was der Nobelpreis für die Literatur bedeutet? Schwer zu sagen.
Für die Preisträger ein Grund zu jubeln. Für die Verlage derselben
auch. Bei Hanser in München dürften gestern die Sektkorken geknallt
haben. Dort wird Tomas Tranströmers schmales Werk auf Deutsch
verlegt.

Die erste deutsche Übersetzung übrigens stammt von Nelly Sachs.
Sie hat Tomas Tranströmer in ihrem schwedischen Exil kennen- und
schätzen gelernt. Allein das ist schon Empfehlung genug, einen
Literaten kennenzulernen, der hierzulande außerhalb des engen Kreises
der Experten eher weniger bekannt ist. Und es könnte der Anlass sein,
wieder einmal ein Gedicht der fast vergessenen Nobelpreisträgerin von
1966 zur Hand zu nehmen.



Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 07561-80 100
redaktion@schwaebische-zeitung.de


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