Westfalenpost: Nur wer lesen kann, kann auch Demokratie
Geschrieben am 10-10-2011 |
Hagen (ots) - Von Monika Willer
Warum ist die Frankfurter Buchmesse Jahr für Jahr so faszinierend
für ein sehr breites Publikum? Die Antwort zielt auf unser
Verständnis als Kulturnation: Weil in Frankfurt traditionell die
einander sonst eher widerstrebenden Kräfte Geschäft und Geist,
Bildung und Kommerz, Glamour und Sozialkritik zusammenkommen. Und
weil das Buch - oder besser das vervielfältigte Wort - nach wie vor
das Leitmedium unserer Gesellschaft ist. Alle unsere demokratischen
Tugenden und wirtschaftlichen Erfolge setzen voraus, dass eine
möglichst große Zahl von Menschen den Zugang zum Erlernen des Lesens
hat. Wie revolutionär dieses Bildungsideal immer noch ist, haben die
Konflikte mit den vergangenen Buchmessen-Ehrengästen wie China und
der Arabische Welt gezeigt, wo Meinungsfreiheit ein Fremdwort
bleibt. Der Literaturbetrieb hat einen ebenso aufklärerischen wie
politischen Auftrag. Dieser gewinnt unerwarteterweise im
Internetzeitalter noch an Bedeutung. Denn die wirklich erfolgreiche
Nutzung der neuen Medien setzt wiederum eine hochentwickelte
Lesekompetenz voraus. Und die Nutzung des Internets als Instrument
der Meinungsbildung in den Ländern, in denen es keine
Meinungsfreiheit gibt und bestimmte Informationen auf dem Printweg
nicht zu beschaffen sind, zeigt: Die Buchbranche hat Recht, wenn sie
zwischen der eigentlichen Ware, der Idee, und den Vertriebskanälen
unterscheidet. Die Buchbranche weiß aber genau, dass ohne relevante
Inhalte die innovativsten Vermarktungswege langfristig nichts nutzen.
Eine schlechte Geschichte wird in der Verfilmung oder in der
Adaption als Computerspiel schlecht bleiben, da können die
technischen Effekte oder die grafische Animation noch so hervorragend
sein. Frankfurt zeigt, dass die spannende gesellschaftspolitische
Herausforderung unserer Epoche darin besteht, dass eben möglichst
viele Bürger zwischen einer guten und einer schlechten Geschichte,
zwischen Information und Propaganda, unterscheiden lernen. Auch,
wenn es einfacher ist, auf bunte Bildchen zu klicken. Deshalb führt
auch in Zukunft an der Kulturtechnik des Lesens kein Weg vorbei.
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Westfalenpost
Redaktion
Telefon: 02331/9174160
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