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Presserat fordert: Pressefreiheitsgesetz endlich verabschieden Jahrespressekonferenz in Berlin

Geschrieben am 17-10-2011

Berlin (ots) - Der Sprecher des Presserats, Bernd Hilder, und
Geschäftsführer, Lutz Tillmanns, informierten auf der
Jahrespressekonferenz des Deutschen Presserats am 17. Oktober 2011 in
Berlin u.a. über folgende Themen:

- Pressefreiheitsgesetz

- Beschwerdearbeit im Fokus: Zahlen und Trends 2010/2011

- Opferschutz

- 14. Europäisches Presseratstreffen in Moskau

Pressefreiheitsgesetz immer noch in weiter Ferne

Die parlamentarischen Beratungen an dem Gesetz zur Stärkung der
Pressefreiheit scheinen inzwischen komplett ins Stocken geraten zu
sein. Nachdem die Bundesregierung bereits im Oktober letzten Jahres
(am 21.10.2010) den Entwurf eines "Gesetzes zur Stärkung der
Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht" eingebracht hat,
legte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Monat später den
Entwurf eines "Gesetzes zum Schutz von Journalisten und der
Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht" vor. Der Deutsche
Presserat begrüßte schon damals, dass beiden Entwürfen der
gesetzgeberische Wille gemeinsam ist, im Interesse der Presse- und
Rundfunkfreiheit die Schwellen für Eingriffe in den Quellen- und
Informantenschutz höher zu legen. Den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts in seinem sog. Cicero-Urteil vom 27.02.2007
werden die Entwürfe aber in unterschiedlichem Grade gerecht. Der
Regierungsentwurf zielt lediglich auf eine Entschärfung des § 353b
des Strafgesetzbuches ab. Damit soll ausgeschlossen werden, dass
Journalisten von Staatsanwaltschaften allein deshalb der Beihilfe zum
Geheimnisverrat beschuldigt werden können, weil sie ihnen
zugespieltes Material veröffentlichen. Außerdem sollen Beschlagnahmen
bei Medienangehörigen nur noch möglich sein, wenn gegen sie ein
dringender Tatverdacht besteht.

Der Entwurf der Grünen-Fraktion geht deutlich darüber hinaus. Er
will zusätzliche Lücken im Schutz gegenüber Ermittlungsmaßnahmen
schließen. So soll nicht nur die Beihilfe, sondern auch die
Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses nach § 353b StGB für
Journalisten straffrei bleiben. Desweitern sollen Hausdurchsuchungen
und Beschlagnahmen in Wohnungen und Arbeitsräumen bei Journalisten
nur noch von einem Richter angeordnet und unter strikter Beachtung
der Pressefreiheit begründet werden können. Zudem sollen Journalisten
in Ermittlungsverfahren im Hinblick auf die Zulässigkeit von
Maßnahmen den übrigen Berufsgeheimnisträgern wie Geistlichen,
Rechtsanwälten und Abgeordneten gleichgestellt werden.

Gemeinsam mit den übrigen Presse- und Rundfunkverbänden hatte der
Presserat deshalb im Januar dieses Jahres an die Mitglieder des
Rechtsausschusses des Deutschen Bundes- tages eine ausführliche
Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen abgegeben. Die Anhörung von
Experten im Bundestag-Rechtsausschuss am 26.01.2011 hat dennoch
gezeigt, dass die Notwendigkeit, die Pressefreiheit und den Schutz
von Journalisten im Straf- und Strafprozessrecht zu stärken,
unterschiedlich bewertet wird. Presseratssprecher, Bernd Hilder,
sagte dazu auf der Pressekonferenz: "Es ist dringend notwendig, dass
das "Cicero-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts endlich umgesetzt
wird!" Wie wichtig ein solches Gesetz ist, zeigt auch der Vorschlag
des Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages,
Siegfried Kauder. Dieser hatte nach der Datenpanne bei der
Enthüllungsplattform Wikileaks schärfere Geheimhaltungsvorschriften
für die Presse gefordert. Der Presserat hält solche Vorschläge für
falsch und populistisch. Sie würden den kritischen Journalismus in
Deutschland schwer belasten. Der Deutsche Presserat appelliert
deshalb an alle Bundestagsfraktionen, die vorliegenden Gesetzentwürfe
ernsthaft weiter zu beraten und im Sinne einer Stärkung der
Pressefreiheit zu beschließen.

Zahlen und Trends zur Beschwerdearbeit

Das Jahr 2010 war für den Presserat in Bezug auf die Anzahl der
Beschwerden ein Rekordjahr. Insgesamt 1.661 Menschen wandten sich mit
ihren Beschwerden an den Presserat. Dabei gab es allein knapp 200
Beschwerden zum Titanic-Titelblatt vom April 2010 und über 240
Beschwerden zum Loveparade-Unglück im Juli 2010. Im laufenden Jahr
2011 gab es bislang keine Vielfach-Beschwerden. Die Zahl der
Beschwerden wird 2011 daher im Vergleich zum Vorjahr voraussichtlich
rückläufig sein. Zu den Vorfällen in Norwegen erreichten den
Presserat insgesamt 16 Beschwerden. Hier wurden eine
nicht-öffentliche Rüge, eine Missbilligung und zwei Hinweise
ausgesprochen. Insgesamt sieben Beschwerden zum Massaker in Norwegen
und zu dem Anschlag in Oslo wurden als unbegründet angesehen.

2011 wurden folgenden Maßnahmen von den drei Beschwerdeausschüssen
des Presserats ausgesprochen: 34 öffentliche Rügen, sieben
nicht-öffentliche Rügen, 74 Missbilligungen und 84 Hinweise. 23
Beschwerden waren begründet, auf eine Maßnahme wurde jedoch
verzichtet. 348 Beschwerden wurden als unbegründet abgelehnt.

Amokläufe und Unglücksfälle: Opferschutz hat Vorrang

Die Beschwerdeausschüsse des Presserats beschäftigten sich in den
letzten Jahren mehrfach intensiv mit Berichterstattungen über
Amokläufe (Norwegen, Winnenden) und Unglücksfälle (Loveparade,
Flugzeugabstürze), bei denen viele Tote zu beklagen waren. Im
Mittelpunkt der Beschwerden stand dabei häufig die Veröffentlichung
von Fotos und Namen der Opfer. Viele Leser sahen darin eine
Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Getöteten und eine Belastung
für die Hinterbliebenen. In Ziffer 8 Richtlinie 8.1 Pressekodex ist
festgehalten, dass bei der Berichterstattung über Unglücksfälle und
Straftaten die Presse keine Informationen in Wort und Bild
veröffentlicht, die eine Identifizierung von Opfern ermöglichen.
Weiter heißt es, dass Opfer von Unglücksfällen und Straftaten
Anspruch auf einen besonderen Schutz ihres Namens haben. Zuletzt
entschied der Presserat im Hinblick auf zwei Veröffentlichungen über
die Attentate in Norwegen, in denen eine Vielzahl von Opfern mit Bild
und vollem Namen dargestellt wurde, dass eine solche
Berichterstattung presseethisch nicht vertretbar ist. Bei dieser
Bewertung wurde intensiv die Frage diskutiert, ob es nach einer
derart außergewöhnlichen Tat gerechtfertigt sei, die Opfer zu zeigen.
Viele Medien hatten die Fotos veröffentlicht, weil die Redaktionen
den Opfern "ein Gesicht geben" wollten, um den Lesern das Ausmaß
dieses schrecklichen Verbrechens emotional begreifbarer zu machen.

Diese Intention kollidiert allerdings mit dem Persönlichkeitsrecht
der Opfer. Nur weil Menschen zufällig Opfer eines schrecklichen
Verbrechens oder eines Unglücks werden, rechtfertigt dies nicht
automatisch eine identifizierende Berichterstattung über ihre Person.
Bei der Abwägung in Bezug auf die Opfer von Norwegen gelangte der
Presserat zu dem Ergebnis, dass das Persönlichkeitsrecht der Opfer
ein mögliches Informationsinteresse der Leser überlagert. Die durch
die Fotos entstehende Emotionalisierung ist lediglich eine erweiterte
Information, die vom ethischen Standpunkt her zum sachlichen
Verständnis des Amoklaufs so nicht erforderlich war. Bei dieser
Entscheidung berücksichtigte der Beschwerdeausschuss auch das
Ergebnis einer Diskussion aus der März-Sitzung des Plenums des
Presserats. Darin setzte sich das Gremium intensiv mit den Argumenten
einzelner Redaktionen für eine Veröffentlichung von Opfergalerien
auseinander. Dabei gab es auch innerhalb des Presserats Stimmen, die
dies in einem engen Rahmen für presseethisch vertretbar hielten.
Allerdings sprach sich die deutliche Mehrheit der Mitglieder dafür
aus, das Persönlichkeitsrecht der Opfer nicht zu lockern und auch
künftig - analog zur bisherigen Spruchpraxis - den Opferschutz
restriktiv zu handhaben.

13. Jahrestreffen Europäischer Presseräte

Vom 5. - 8. Oktober 2011 fand auf Einladung der Russischen
Journalistenunion (Russian Union of Journalists - RUJ), des
Russischen Rates für Pressebeschwerden (Russia's Public Chamber for
Press Complaints - PCPC) und der Russischen Verlegerunion (Guild of
Periodical Press Publishers - GIPP) die 13. Jahrestagung der
Europäischen Presseräte in Moskau statt. Die Presseräte treffen sich
seit 1999 als loser Verbund unter dem Namen AIPCE (Alliance of
Independent Press Councils of Europe) jährlich zu einem
Erfahrungsaustausch über ihre Arbeit. Dabei geht es neben der
praktischen Anwendung und Auslegung ethischer Grundregeln, die in den
jeweiligen Pressekodices veröffentlicht sind, auch um die
presserechtlichen Rahmenbedingungen in den jeweiligen Ländern.
Insgesamt 26 Länder (davon 12 EU-Staaten) und Beobachter des
Europarates nahmen an dem diesjährigen Treffen teil. Themen waren u.
a. die Finanzierung und rechtliche Grundlagen der Presseräte.
Diskutiert wurde auch über die Auswirkungen, die Twitter, soziale
Netzwerke, Blogs und jede Art von "Bürgerjournalismus" auf die Arbeit
der Journalisten haben. Der Druck auf die Redaktionen, Schnelligkeit
vor Genauigkeit zu stellen, nimmt überall zu. Die Presseräte waren
sich jedoch einig, dass genaue Recherchen und die Überprüfung der
Wahrhaftigkeit einer Meldung Vorrang haben muss.

Im Rahmen der Tagung wurde den AIPCE-Mitgliedern zudem der Film
"Bitter taste of freedom" von Marina Goldovskaya gezeigt, der eine
Widmung an die vor fünf Jahren getötete russische Journalistin und
Aktivistin Anna Politkowskaja ist. Der Dokumentarfilm kritisiert
deutlich die politische Situation in Russland und wurde von der Gilde
der Dokumentarfilmer für einen Oscar nominiert. Zudem gab es eine
Gedenkzeremonie für Anna Politkowskaja: Zur Erinnerung an die bis
heute nicht aufgeklärte Ermordung vor fünf Jahren legten die
Mitglieder der Konferenz Blumen an der Grabstätte nieder.

Ansprechpartner für die Presse: Lutz Tillmanns und Ella Wassink,
Tel. 030-367007-0



Pressekontakt:
Deutscher Presserat
Telefon: 030-367 00 7-0
Fax: 030-367 00 7-20
E-Mail: info@presserat.de


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