FT: Kommentar von Anette Asmussen: Respekt vor dem Leben - Der Europäische Gerichtshof verbietet Patent auf embryonale Stammzellen
Geschrieben am 18-10-2011 |
Flensburg (ots) - Von Anette Asmussen
Es ist ein harter Richterspruch für den Wirtschafts- und
Wissenschaftsstandort Deutschland und für ganz Europa: Das
Patent-Verbot für embryonale Stammzellen wird die Forschung
hierzulande lähmen, möglicherweise führende Köpfe der Branche ins
außereuropäische Ausland treiben und der Pharmaindustrie ihre - nach
hohen Investitionen - bereits sicher geglaubten Milliardengeschäfte
verderben.
Dass sie diese Verantwortung nicht tragen wollten, ist den
Richtern des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe nicht zu verübeln. Vor
zwei Jahren legten sie dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage
vor, ob embryonale Stammzellen patentierbar sein dürfen. Die
Luxemburger gaben gestern eine klare Antwort: Ein Patent auf
Stammzellen darf es nicht geben, wenn ein Embryo - also menschliches
Leben - dafür zerstört wird, und auch nicht, wenn damit industrielle
oder kommerzielle Zwecke verfolgt werden.
Nun ist die Stammzellenforschung inzwischen nicht mehr darauf
angewiesen, Embryonen zu zerstören. Moderne Verfahren schaffen es
sogar aus gewöhnlichen Körperzellen - etwa aus der Haut -,
Stammzellen zu erzeugen, die in ihren Eigenschaften den embryonalen
Stammzellen nahe kommen. Ginge es also allein um die Forschung,
darum, Krankheiten wie Diabetes, Multiple Sklerose oder Parkinson zu
heilen, bliebe der gestrige Richterspruch für Europas Wissenschaftler
gänzlich ohne Bedeutung.
Doch tatsächlich geht es bei der Stammzellen-Forschung um's Geld,
um die verbotene industrielle und kommerzielle Verwertung der
Patentierung. Wissenschaft ist teuer. Wer hier investiert, tut das in
erheblichem Umfang und mit handfesten wirtschaftlichen Interessen.
Dabei spielen milliardenschwere Pharmadeals eine Rolle, nicht schwer
kranke Menschen. Fehlen die Gewinnaussichten, versiegen die
Geldquellen. Deshalb wird das Urteil die Entwicklung neuer Therapien
in Europa verzögern. Dafür lehrt es aber Respekt vor dem Leben, zu
dem Krankheit und Tod immer gehören werden. Dies zu akzeptieren, mag
für viele Kranke hilfreicher sein als die Hoffnung auf medizinischer
Fortschritt um jeden Preis, denn: Irgendwann kommt für jeden der
Moment, in dem keine Therapie mehr hilft.
Pressekontakt:
Flensburger Tageblatt
Till H.Lorenz
Telefon: 0461 808-1060
til@shz.de
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