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MEDIENTAGE MÜNCHEN 2011 vom 19. bis 21. Oktober Eröffnung und Mediengipfel Mobile - Local - Social: Regulierung quo vadis?

Geschrieben am 19-10-2011

München (ots) - Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei,
Staatsminister Dr. Marcel Huber, hat zum Auftakt der MEDIENTAGE
MÜNCHEN dazu aufgefordert, die deutsche Medienregulierung an die
veränderten Rahmenbedingungen des Online-Zeitalters anzupassen. Vor
allem das Medienkonzentrationsrecht müsse modernisiert und von seiner
starken Fixierung auf TV-Einschaltquoten gelöst werden. Außerdem
gelte es, das Medienrecht fortzuentwickeln. Angesichts der Konvergenz
von Internet und Fernsehen müssten einerseits Online-Unternehmen in
die Rundfunkordnung einbezogen und andererseits die Bestimmungen für
klassische Medienunternehmen dereguliert werden. Huber vertrat bei
der Eröffnung der MEDIENTAGE MÜNCHEN den Bayerischen
Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der wegen der Vorbereitung der
für das kommende Wochenende geplanten Euro-Beschlüsse verhindert war.
Der Chef der Bayerischen Staatskanzlei setzte sich bei der Eröffnung
der 25. MEDIENTAGE MÜNCHEN dafür ein, den Auftrag des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu präzisieren sowie die
Binnenkontrolle bei ARD und ZDF zu verstärken. Angesichts der
jüngsten Vorfälle beim Kinderkanal und der Budgetprobleme bei der
ARD-Filmeinkaufsgesellschaft Degeto müsse darüber nachgedacht werden,
wie die Aufsicht verbessert und die federführenden Anstalten zu mehr
Verantwortungsbewusstsein motiviert werden könnten. Dazu zählten etwa
verschärfte Haftungsregeln und das Konnexitätsprinzip ("Wer bestellt,
bezahlt.").

Zum aktuellen Streit zwischen der ARD und den Zeitungsverlagen
über die Tagesschau-App mahnte Huber, die Beteiligten sollten sich
friedlich einigen. Der Staatskanzlei-Chef bekannte, er sei ein
"überzeugter Anhänger" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Als
solcher regte er auch an, ARD und ZDF sollten über einen gemeinsamen
Jugendkanal nachdenken. Auf diese Weise könnten auch junge Leute, die
sonst wenig öffentlich-rechtliche TV-Programme nutzten und sich vor
allem via Internet informierten, besser von der publizistischen
Grundversorgung erreicht werden. Der Mediengipfel zu Beginn der
MEDIENTAGE MÜNCHEN war geprägt von zahlreichen offenen
Regulierungsfragen. Siegfried Schneider, seit 1. Oktober Präsident
der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und Vorsitzender
der Gesellschafterversammlung der Medientage München, betonte, die
mobile Internetnutzung inklusive einer genauen Lokalisierung von
Nutzerstandorten bedeute außer neuen Geschäftsmodellen auch Risiken.
So gelte es, die Daten und Persönlichkeitsrechte der Verbraucher zu
schützen. Außerdem forderte Schneider, die Medienkompetenz der Nutzer
so zu stärken, dass diese ihre Chancen und Rechte in der Online-Welt
optimal wahrnehmen können.

Wie gravierend die aktuellen Veränderungen in der Medien-Branche
sind, machte Florian Haller, Hauptgeschäftsführer der Agenturgruppe
Serviceplan, in einer Keynote deutlich. Dabei sprach er von vier
"Megatrends". Dazu zähle das neue Zielgruppenverständnis, das nicht
mehr von Altersklassen, sondern von Nutzerprofilen ausgehe
(Targeting), ebenso wie der Bedeutungszuwachs von Bewegtbildern im
Internet. Als weiteren Trend führte Haller die mögliche Lokalisierung
von Werbekampagnen und Online-Angeboten dank Geocodierung an.
Entscheidend sei viertens, dass Inhalte so attraktiv sein müssen,
dass Nutzer sie gezielt auswählen. Aktive Rezipienten erforderten
eine Umstellung von der Push- zur Pull-Strategie. In der
anschließenden Panel-Diskussion, die beim Mediengipfel erstmals von
Wirtschaftswoche-Chefredakteur Roland Tichy moderiert wurde, stand
die "ungleichmäßige" Regulierung im Mittelpunkt. Dr. Paul-Bernhard
Kallen, Vorstandsvorsitzender von Hubert Burda Media, forderte,
entweder müssten für internationale Medienkonzerne in Deutschland
dieselben Bestimmungen gelten wie für nationale Akteure oder aber es
müsse dereguliert werden. Als Beispiele für eine ungleichmäßige
Regulierung nannte Kallen die Tatsache, dass für US-Internetkonzerne
weniger strenge Datenschutzrichtlinien herrschen als für deutsche
Medienunternehmen. Ähnliches gelte für den Urheberrecht- und
Leistungsschutz von Anbietern, die ihre Server im Ausland platzieren.
Angesichts solcher Ungleichgewichte seien auch die strengen
kartellrechtlichen Bestimmungen für Verlage nicht nachzuvollziehen.

Andreas Bartl, der den Bereich Fernsehen im Vorstand der
ProSiebenSat.1 Media AG verantwortet, berichtete, deutsche
Medienunternehmen gerieten durch die strengen Grenzen von
Wettbewerbsrecht oder anderen Gesetzen zunehmend unter Druck, während
die Global Player keiner Regulierung unterliegen würden. "Wir
brauchen einheitliche Spielregeln", forderte Bartl. Dafür setzte sich
auch Jürgen Doetz ein. Der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk
und Telemedien (VPRT) warnte, die Politik müsse endlich konkrete
Maßnahmen ergreifen: "Bitte schön, wachen sie mal auf", wandte er
sich an die Medienpolitik. In diesem Zusammenhang äußerte Anke
Schäferkordt, Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL Deutschland,
ihre "Angst, dass das Problembewusstsein bei der Politik noch gar
nicht richtig da ist". Der Intendant des Bayerischen Rundfunks,
Ulrich Wilhelm, bezeichnete die gleichzeitige Anwendung von äußerst
unterschiedlichen nationalen und internationalen ordnungspolitischen
Regeln als "eklatante Wertungswidersprüche". ZDF-Intendant Prof.
Markus Schächter nannte die Probleme Urheberrecht, Netzneutralität
und den diskriminierungsfreien Zugang zu Online-Plattformen als
weitere offene Felder der Medienregulierung. Beim Thema Hybrid-TV
stelle sich die Frage, warum auf den neuen internetfähigen
Flachbildschirmen für klassische TV-Programme die Rundfunkregulierung
gelte, während auf dem selben Monitor auch Online-Videos gezeigt
werden könnten, für die keinerlei Regeln gelten. In Bezug auf
Werberichtlinien oder den Jugendschutz für das Hybrid-TV sagte
BLM-Präsident Schneider, er gehe von einer Liberalisierung dieser
Bereiche aus.

Dr. Herbert Kloiber, geschäftsführender Gesellschafter der Tele
München Gruppe, und auch Brian Sullivan, Vorstandsvorsitzender von
Sky Deutschland, zeigten sich zuversichtlich, ihre
TVMedienunternehmen seien für die Herausforderungen der Internetwelt
gewappnet, wenn für alle Chancengleichheit bestehe. Beim Thema
Online-Videos waren sich alle TV-Branchenvertreter einig, dass aus
dem World Wide Web keine große Gefahr drohe. Der klassische TV-Konsum
gehe nicht zurück. Vielmehr biete das Internet neue
Vermarktungsformen. Außerdem sei "mehr Convenience Viewing" gefragt,
berichtete ProSiebenSat.1-Vorstand Bartl und meinte damit, dass
Zuschauer selbst entscheiden wollen, wann, wo und über welches
Endgerät sie TV-Inhalte nutzen. RTL-Geschäftsführerin Schäferkordt
verwies darauf, bei der Mediengruppe RTL seien die monatlichen
Wachstumsraten für Mobile-Media-Angebote inzwischen dreistellig. Sie
hätten allein von Januar bis September zu 1,8 Milliarden Page
Impressions geführt. Die ProSiebenSat.1 Media AG geht einen anderen
Weg. Vorstandsmitglied Bartl berichtete von einer "individuellen
Abmachung" mit Apple. Für das Internetgeschäft fürchtet Bartl vor
allem eine starke Konkurrenz durch Google TV. Das Unternehmen wolle
die Zugänge zu den TV-Kanälen kontrollieren. Dr. Stefan Tweraser, der
bei Google das Deutschland-Geschäft verantwortet, versicherte, Google
TV sei als Betriebssystem für Set-Top-Boxen nur eine Plattform und
kein eigenständiges Medium. Herrschte bei den Vertretern des
öffentlich-rechtlichen Systems und der privatwirtschaftlichen
Konkurrenz in Fragen der Online-Regulierungsprobleme weitgehend
Einigkeit, näherten sich die Positionen beider Seiten in der
Diskussion über die Rundfunkfinanzierung kaum einander an.
VPRT-Präsident Doetz kritisierte, dass eine Abschaffung der Werbung
im öffentlich-rechtlichen Fernsehen noch immer nicht absehbar sei.
Dennoch hätten ARD und ZDF einen steigenden Gebührenbedarf
angemeldet. ZDF-Intendant Schächter versicherte, die neue
Haushaltsabgabe werde ab 2013 trotz steigender Kosten der aktuellen
Monatsgebühr (17,98 Euro) entsprechen. Sollten die Werbeeinnahmen
wegfallen, müsse die Haushaltsabgabe allerdings erhöht werden.

Tele-München-Geschäftsführer Kloiber rechnete vor, die
TV-Werbegelder von ARD und ZDF ließen sich bei den Gebühren durch
zusätzliche vierzig bis fünfzig Cent pro Monat kompensieren.
Vermutlich sei sogar eine geringere Erhöhung möglich, fielen erst
einmal die Kosten für die Tochtergesellschaften weg, von denen die
Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vermarktet wird.
Staatsminister Huber versicherte, die Trennung der
Finanzierungsmodelle Gebühr und Werbung bleibe weiterhin "ein echtes
Anliegen" der Bayerischen Staatsregierung. Weitere Informationen
erhalten Sie unter www.medientage.de



Pressekontakt:
Medientage München
Anja Kistler
Telefon: 089/68999250
Fax: 089/68999199
anja.kistler@medientage.de


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