Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Libyen
Geschrieben am 31-10-2011 |
Bielefeld (ots) - Der Nachgeschmack ist bitter. Da rettet die Nato
die Rebellen im libyschen Misrata in letzter Minute vor einem
blutigen Massaker, bombt ihnen anschließend den Weg frei nach
Tripolis für den Sturz des Despoten und dann diese ernüchternde
Nachricht: Das neue Regime erhebt das islamische Gesetz, die Scharia,
zur Grundlage des gesamten Rechts im neuen Libyen. Und damit alle es
verstehen, erklärt Mustafa Abdul Dschalil, der fromme und bescheiden
auftretende Vorsitzende des Übergangsrates, dass alle anderen
Gesetze, die mit der Scharia nicht übereinstimmen, ungültig seien,
mithin auch die Ehegesetze, so dass jeder Mann in Libyen künftig vier
Frauen haben dürfe. Und wenn er dreimal hintereinander zu einer
seiner Frauen sagt: »Ich verstoße dich«, dann ist er geschieden. Die
Frau hat diese Freiheit nicht. Die Scharia ist kein Gesetz für
gleiche, freie Menschen. Kann die Nato, die gegründet wurde, um die
Freiheit zu verteidigen, und die auch in Libyen unter diesem
Vorzeichen antrat, jetzt sagen: Mission erfüllt?
Das neue Libyen unter Dschalil, der übrigens vier Jahre lang
Gaddafis Justizminister war und etliche Todesurteile unterschrieben
hat, wird auch das islamische Banksystem einführen und neue
Verbündete suchen. Eine Verbrüderung mit den Moslembrüdern in Ägypten
ist nur eine Frage der Zeit. Auch in Tunesien haben die
islamistischen Kräfte nach den Wahlen Oberwasser. Auch dort droht die
Scharia. Und keinen Zweifel gibt es, dass auch in Syrien, Jemen,
Jordanien und am Golf die Islamisten ihr Gesetz dem Volk aufzwingen
würden, wenn sie könnten.
Die Arabellion ist in ihrer zweiten Phase. Nach dem klassischen
Muster großer Revolutionen, wie etwa Frankreich oder Russland sie
erlebten, kommt nach dem Sturz des feudalen oder diktatorischen alten
Regimes die Despotie der reinen Lehre, nicht selten begleitet vom
Terror. Es sei denn, die Ideologen passen sich, geleitet von
pragmatischer Vernunft, der Wirklichkeit der Menschen an. Das wird
noch abzuwarten sein in Nordafrika. Sicher aber ist: Für die Scharia
sind die jungen Leute nicht auf die Straße gegangen, haben sie sich
nicht verprügeln und foltern lassen. Sie wollten Freiheit, nicht das
Zwangssystem mit seinen drakonischen Strafen. Die jungen Menschen mit
ihren Handys und Smartphones haben eine andere Zukunft im Kopf als
das Mittelalter. Da ist das letzte revolutionäre Wort noch nicht
gesprochen.
Übrigens, was die Nato angeht: Es waren nur die Politiker, die da
so laut von Freiheit geredet haben, um den Einsatz zu rechtfertigen.
Wir haben es natürlich geglaubt. Aber es sind dieselben Politiker,
die auch Geschäfte mit Saudi-Arabien oder den Golfstaaten machen, wo
die Freiheit vielleicht weniger bizarr unterdrückt wird als es unter
Gaddafi der Fall war. Steinigen und auspeitschen gemäß der Scharia
gehören indes auch hier zum Alltag. Man sieht nur nicht hin. So wird
es auch mit Libyen sein, Hauptsache der Ölpreis stimmt.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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