Die schwerste und teuerste Petersilie der Welt (mit Bild)
Geschrieben am 14-11-2011 |
Bonn (ots) -
Trüffeln und Kaviar sind extrem teure Speisen. Wissenschaftler der
Universität Bonn und des Forschungszentrums Jülich toppen nun diese
Luxusgüter. Sie haben Petersilie, Spinat und Pfefferminze mit einem
Kilopreis von annähernd 50.000 Euro kultiviert. Was die Kräuter so
kostenintensiv und gewichtig macht, ist eine chemische Markierung mit
dem schwereren Isotop 13C. Die Forscher wollen damit testen, ob die
in den Pflanzen enthaltenen Flavonoide im Körper von Probanden
tatsächlich die ihnen zugesprochene Schutzwirkung entfalten.
Wenn Maike Gleichenhagen das Wachstum der jungen Petersilie-,
Spinat- und Pfefferminzpflänzchen prüft, dauert die Stippvisite nur
wenige Sekunden. Der Grund: Sie muss die Luft anhalten, denn das
Kohlendioxid beim Ausatmen würde das Experiment verfälschen. Die
Doktorandin am Institut für Ernährungs- und
Lebensmittelwissenschaften der Universität Bonn kultiviert die
Kräuter zusammen mit Prof. Dr. Ingar Janzik in einer speziellen
Klimakammer des Instituts für Pflanzenwissenschaften in Jülich. Diese
Klimakammer wurde dort vom Pflanzenwissenschaftler Dr. Siegfried
Jahnke speziell an die Notwendigkeiten dieser "schweren" Anzucht
angepasst. "Hier ist es möglich, die Kräuter mit markiertem
Kohlendioxid zu begasen, das die Pflanzen über die Fotosynthese
aufnehmen und einbauen", berichtet Gleichenhagen.
Aus einer Gasflasche strömt kontrolliert Kohlendioxid in die
Klimakammer, das nicht den in der Atmosphäre überwiegend vorkommenden
Kohlenstoff 12C, sondern das viel seltenere, schwerere Isotop 13C
enthält. "Auch dieser `schwere´ Kohlenstoff kommt natürlicherweise
vor, hat in der Natur aber am Kohlenstoff nur einen Anteil von etwa
einem Prozent", sagt Prof. Janzik vom Institut für
Pflanzenwissenschaften (IBG-2) des Forschungszentrums Jülich. "Das
ist das Besondere an dem Versuch: Eine Flasche von dem gasförmigen
`Dünger´ kostet rund 100.000 Euro", sagt Lebensmittelchemiker Prof.
Dr. Rudolf Galensa, der an der Universität Bonn die Doktorarbeit im
Projekt "PhytoFuN" (Phyto Functional Nutrition) betreut. Neben den
Anteilen der beteiligten Institute werden die Kosten weitgehend vom
Deutschen Stiftungszentrum (Stiftungsfonds Unilever) und von der
Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn getragen.
Schützen Flavonoide wirklich vor Krankheiten?
Besonders haben es die Wissenschaftler auf die begehrten
Flavonoide abgesehen, die in Pflanzen nur in einem Promilleanteil
vorkommen. "In Petersilie, Spinat und Pfefferminze liegen sie aber in
vergleichsweise hohen Gehalten vor", sagt Dr. Benno Zimmermann,
wissenschaftlicher Mitarbeiter in Galensas Team. Den Flavonoiden wird
eine antioxidative Wirkung zugeschrieben - sie sollen unter anderem
vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krebs schützen. "Das ist aber
noch nicht zweifelsfrei bewiesen", stellt Prof. Galensa fest.
Deshalb wollen die Wissenschaftler aus den schweren 13C-markierten
Pflanzen die Flavonoide isolieren und Probanden in die Nahrung
gemischt zum Verzehr verabreichen. "Dann können wir zum Beispiel
anhand von Blutproben den Verbleib der Flavonoide im Körper
nachvollziehen", berichtet Professor Dr. Peter Stehle,
Ernährungswissenschaftler an der Universität Bonn. Wenn die
Wissenschaftler Stoffwechselprodukte mit 13C finden, muss es aus den
markierten Flavonoiden stammen. "Das Kohlenstoffisotop 13C ist für
die Testpersonen vollkommen ungefährlich, es ist weder radioaktiv
noch giftig - eben nur ein bisschen schwerer", sagt Prof. Galensa.
Erfolgreiche Anzucht der markierten Küchenkräuter
Die Anzucht der Pflanzen verlief nach Plan. "Die Kräuter gedeihen
gut", sagt Maike Gleichenhagen nach mehreren Wochen der Kultivierung
in der Jülicher Klimakammer. "Die Vorversuche zur Sortenwahl am
Institut für Gartenbauwissenschaften von Prof. Dr. Georg Noga haben
dazu entscheidend beigetragen." Etwas mehr als zwei Kilo an
Grünsubstanz konnte die Doktorandin inzwischen ernten. Die Pflanzen
haben auch bevorzugt den markierten Kohlenstoff eingebaut. "Die
Analysen zeigen, dass der Anteil von 13C in den Flavonoiden deutlich
mehr als 90 Prozent beträgt", berichtet Dr. Zimmermann. "Das reicht
aus, um den Weg dieser Stoffe im Körper der Probanden zurückverfolgen
zu können." Diese Messungen bestätigte auch Dr. Markus Boner von der
TÜV Rheinland Agroisolab GmbH mittels Isotopenmassenspektrometrie.
Anfang 2012 sollen dann die Tests mit den Probanden beginnen. "Sie
bekommen die markierten und extrahierten Flavonoide in üblichen
Speisen - zum Beispiel als Pfefferminztee - gereicht", sagt Prof.
Stehle. Erste Analyseergebnisse werden vermutlich Mitte 2012
vorliegen. Aufgrund der beschränkten Mengen wird zunächst nur eine
kleinere Anzahl von Probanden die teuersten und schwersten Kräuter
der Welt verzehren dürfen. Doch die Wissenschaftler planen bereits
jetzt eine Ausweitung der Tests. "Wir wollen zunächst zeigen, dass
das Prinzip funktioniert", berichtet Prof. Galensa. "Dann werden wir
weitere Fördermittel beantragen - denn in den Flavonoiden stecken
noch viele Geheimnisse."
Foto: http://www3.uni-bonn.de/Pressemitteilungen/317-2011
Pressekontakt:
Maike Gleichenhagen
Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften
Universität Bonn
Tel.: 0228/733738
E-Mail: m.gleichenhagen@uni-bonn.de
Prof. Dr. Rudolf Galensa
Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften
Universität Bonn
Tel.: 0228/733798
E-Mail: galensa@uni-bonn.de
Prof. Dr. Peter Stehle
Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften
Universität Bonn
Tel. 0228/735953 oder 733680
E-Mail: p.stehle@uni-bonn.de
Prof. Dr. Ingar Janzik
Institut für Pflanzenwissenschaften (IBG-2)
Forschungszentrum Jülich
Tel. 02461/616559
E-Mail: i.janzik@fz-juelich.de
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