BERLINER MORGENPOST: Ägyptens unvollendete Revolution - Leitartikel
Geschrieben am 21-11-2011 |
Berlin (ots) - Die Revolution ist nach Ägypten zurückgekehrt.
Dutzende Menschen sind in den vergangenen Tagen bei Massenprotesten
gegen den regierenden Militärrat umgekommen. Der Kampf der Ägypter um
Freiheit geht in die nächste Runde. Das haben sich die Militärs
selbst zuzuschreiben. Mehr als 12.000 Ägypter wurden nach dem Sturz
von Diktator Husni Mubarak von Militärgerichten abgeurteilt, darunter
auch viele Kritiker des Militärregimes. Dann versuchten die Generäle,
den Parteien Eckdaten einer neuen Verfassung zu diktieren, damit das
Militär auch in Zukunft jeglicher politischer Kontrolle entzogen ist.
Und schließlich wurde der Termin für die Machtübergabe immer weiter
nach hinten geschoben. So bekamen die Ägypter das Gefühl, einen
Diktator gegen ein Militärregime eingetauscht zu haben. Deshalb sind
sie nun erneut auf die Straße gegangen - um ihre Revolution zu
verteidigen. Das Militär war nach dem Sturz Mubaraks noch gefeiert
worden, weil es sich geweigert hatte, den Aufstand
zusammenzuschießen. "Armee und Volk sind eins", war damals die Parole
der Revolutionäre. Eine Umarmungsstrategie, die nie ganz den
Realitäten entsprochen hatte. Schließlich war das Militär mit seinen
weit in die zivile Welt ausgreifenden Wirtschaftsinteressen einer der
wichtigsten Nutznießer des alten Regimes. Auch im Westen gab es die
Hoffnung, die Generäle könnten sich - ähnlich wie das türkische
Militär - als Garant des säkularen Staates verstehen und Ägypten in
der turbulenten Übergangszeit stabilisieren. Tatsächlich ist der
Militärrat aber nicht als ehrlicher Makler des Übergangs aufgetreten,
sondern die Generäle versuchen unter ihrer Führung so etwas wie eine
gelenkte Demokratie zu etablieren. Das wollten vor allem die
islamistischen Muslimbrüder verhindern. Sie befürchteten, nach einem
wahrscheinlichen Wahlsieg um die Macht betrogen zu werden und hatten
deshalb die Demonstration auf dem Kairoer Tahrir-Platz am Freitag
organisiert, was dann in den folgenden Tagen zu einem weit breiter
aufgestellten Protest gegen den Militärrat wurde. Nun droht die
liberale Opposition im Machtkampf zwischen Islamisten und Militär
zerrieben zu werden. Denn auch die Moderaten hoffen, dass das Militär
in Zukunft totalitäre und intolerante Bestrebungen in der
übermächtigen Muslimbruderschaft ausbalanciert. Gleichzeitig müssen
sie sich auf die Seite der Revolutionäre stellen, die gegen den
Schatten einer Militärdiktatur aufbegehren. Ein unauflösbares
Dilemma. Auch der Westen steht vor einem Zwiespalt. Einerseits hegt
man die Hoffnung, das Militär könnte eine Versicherungspolice gegen
radikale Elemente sein, die möglicherweise in die Regierung gewählt
werden. Andererseits kann man sich nicht vor der Forderung nach
wirklicher Demokratie verschließen, die eine politische Kontrolle des
Militärs einschließt. Dem Westen bleibt so nicht viel anderes übrig,
als sich heute gegen das Militär und für mehr Freiheit und Demokratie
einzusetzen - und nach der Wahl dann dieselben Forderungen an
Muslimbrüder und andere zu stellen, falls sie - einmal an der
Regierung - den Weg von Toleranz, Freiheit und Demokratie verlassen.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
364729
weitere Artikel:
- Südwest Presse: Kommentar zu Polizistinnenmord, Ausgabe vom 22.11.2011 Ulm (ots) - Kommentar zu Polizistinnenmord, Ausgabe vom 22.11.2011
Der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter ist heute so mysteriös
wie vor 1671 Tagen. Die kolportierten Äußerungen aus Innenausschuss
und Sicherheitskreisen tragen weiter zur Irritation bei. Andeutungen
erweckten erst den Eindruck, das Opfer sei eine Bekannte der Täter
gewesen. Dann sickerte durch, dass die Tat ein Racheakt von
Rechtsextremisten an der ganzen Familie gewesen sein könnte. Wenn
diese wie auch immer geartete Verbindung tatsächlich bestanden hat,
hätte mehr...
- FT: Flensburger Tageblatt Flensburg (ots) - Die Studie über Patientenzufriedenheit macht
KBV-Chef Andreas Köhler stolz auf das Vertrauen in die Ärzteschaft.
Das ist typische Funktionärsblindheit. Im Arzt-Patient-Verhältnis
bewirken Ängste und Heilungserwartungen hohe Hemmschwellen vor
Kritik. Viele Patienten fühlen sich bedrängt, wenn der Arzt ihnen
Sonderleistungen gegen Bezahlung anbietet - was geradezu systematisch
geschieht. Das Sprechzimmer sollte kein Basar für Zusatzleistungen
sein. Auch räumt selbst Köhler ein, dass die unterschiedlichen
Wartefristen mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Wartezeiten bei Ärzten Bielefeld (ots) - Das Gesundheitswesen ist keine geschützte
Einrichtung. Auch hier gilt: Wer mehr bezahlt, erhält eine bessere
Leistung. Konkret hat eine Umfrage im Auftrag der Kassenärztlichen
Vereinigung (KBV) ergeben, dass Kassenpatienten auf einen Termin beim
Facharzt länger warten müssen als Privatversicherte. Gefühlt haben
das schon viele, mit den Zahlen der Studie wird aus der Ahnung ein
Fakt. Immerhin räumt KBV-Präsident Andreas Köhler den Missstand ein.
Es muss also etwas getan werden. Die Suche nach dem richtigen Rezept mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Stuttgart 21 Osnabrück (ots) - Konsequent Bürger beteiligen
7,6 Millionen Wahlberechtigte können am Sonntag in
Baden-Württemberg entscheiden, ob das Land aus dem Bahnprojekt
Stuttgart 21 aussteigt oder nicht. Die Aussichten der Protestler sind
sehr gering, die notwendigen Mehrheiten oder die erforderliche
Wahlbeteiligung zu erreichen. Außer den harten Gegnern in Stuttgart
um den Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann herum ist der
Bevölkerung am Bodensee oder im Schwarzwald die Lust zum Streiten
vergangen. Ihnen liegt ohnehin die Verbesserung mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Missbrauch / Behinderte Osnabrück (ots) - Augen und Herzen öffnen
Es gibt Dinge, die kollektiv verdrängt werden: aus Unwissenheit,
aus Bequemlichkeit oder weil es ganz einfach an Sensibilität fehlt.
Der Umgang mit Behinderten gehört dazu. Die Hemmungen sind groß, auch
aus Furcht, sich zu belasten. Jetzt hat eine neue Studie im Auftrag
des Familienministeriums das Dunkel heller und damit ein weiteres
Wegsehen unmöglich gemacht.
Was Bielefelder Forscher ermitteln, ist in der Tat erschreckend:
Dass fast jede zweite Frau unter den Gehörlosen, Blinden mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|