Verfassungs- und Europarechtler stärken Deutsche Automatenwirtschaft / Gutachten: 4 Mrd. Euro Schadensersatzforderungen
Geschrieben am 22-11-2011 |
Berlin (ots) - Anlässlich eines juristischen Pressefachgesprächs
am heutigen 22.11.2011 zur Neuordnung des Glücks- und
Gewinnspielmarktes in Deutschland haben unter der Moderation von
Prof. Georg-Berndt Oschatz, Minister a. D., führende Verfassungs- und
Europarechtsexperten rechtliche Fragen zum 1.
Glücksspieländerungsstaatsvertrag diskutiert.
Prof. Dr. Friedhelm Hufen, Universität Mainz, hat in einem
ausführlichen verfassungsrechtlichem Gutachten herausgearbeitet, dass
der vorliegende Vertragsentwurf insbesondere gegen die Artikel 12
(Berufsfreiheit) und 14 (Eigentums- und Entschädigungsrecht) des
Grundgesetzes verstößt. Er ist verfassungswidrig, da
unverhältnismäßig, gleichheitswidrig und kompetenzrechtlich
bedenklich. Professor Dr. Hufen, Experte für Öffentliches Recht,
Staats- und Verwaltungsrecht spricht von einer "Legalenteignung".
Der Europarechtsexperte Prof. Dr. Christoph Herrmann L.L.M.,
Universität Passau, hat ein umfassendes Rechtsgutachten erarbeitet.
Im Fokus seiner Kritik stehen "die europarechtlichen Zweifel an der
Gesamtkohärenz des 1. Glücksspieländerungsvertrages" sowie die
Verletzung des Transparenzgebotes. Die Erlaubnispflicht für
Spielhallen, die Genehmigungsbeschränkung pro Gemeinde sowie die
Abstandsregelungen und die sog. "Guillotine-Regelung" stellen einen
schweren Eingriff in die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit
dar. Auch die inzwischen vorgesehene Härtefallregelung sei im Prinzip
Makulatur, da sie keine greifbaren Maßstäbe für zusätzliche, ohnehin
nur befristete und lediglich im Einzelfall geltende Ausnahmen
vorsehe. Bisher ungeprüft sei zudem ein Verstoß gegen die
Investitions-Förderungs- und Schutzverträge (IFV), nach denen
ausländische Investoren in Deutschland vor Enteignungen sowie
unbilliger Behandlung geschützt sind. Schadensersatzforderungen vor
einem internationalen Schiedsgericht gegen Deutschland stehen im
Raum. Das Beispiel Vattenfall vs. Deutschland (Kraftwerk Moorburg)
belegt die Größenordnung solcher Verfahren.
Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Dirk Uwer L.L.M., Kanzlei
Hengeler Mueller, zeigt auf, dass bestehende Inkohärenzen durch den
1. Glü-ÄndStV nicht gelöst, sondern noch verschärft werden. Dies
belegt er u. a. anhand der Tatsache, dass das ungefährlichste
Glücksspiel (Lotto) im Staatsmonopol bleibt, die Regeln für das
gewerbliche Geld-Gewinnspiel extrem verschärft werden, dagegen das
wesentlich problematischere Automatenspiel der Spielbanken aber nach
wie vor weitestgehend unreguliert bleibt. Unter Hinweis auf die
Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet bzw.
die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit mahnt er eine Regelung
durch den Bund an. Nur dadurch kann das Glücksspielrecht insgesamt
kohärent und systematisch an den gesetzgeberischen Zielen
ausgerichtet und die Funktionsfähigkeit der Rechts- und
Wirtschaftsordnung im Glücksspielbereich wiederhergestellt werden.
Siegfried Kauder, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen
Bundestages, ruft zu einer Versachlichung und Objektivierung der
Diskussion auf. Der Gesetzgeber dürfe sich nicht von den Interessen
einzelner Anbieter leiten lassen und sei gut beraten, behutsam zu
agieren und sachlich zu argumentieren. Pathologisches Spielverhalten
darf nicht zum vorgeschobenen Argument für Marktregulierungen dienen.
Stattdessen muss pathologischen Spielern mit sinnvollen Maßnahmen
geholfen werden, denn gespielt wird anbieterunabhängig, in
Monopolunternehmen wie in Spielhallen, so der Abgeordnete
abschließend.
Bei der Veranstaltung wurde ein Gutachten von Prof. Dr. Hans-Peter
Schneider, Geschäftsführender Direktor des Instituts für
Föderalismusforschung e. V. Hannover, vorgestellt, welches im
GewerbeArchiv im Dezember 2011 veröffentlicht wird. Der
Staatsrechtler beziffert den Gesamtschaden für die
Automatenwirtschaft durch den Glücksspieländerungsstaatsvertrag sowie
den darauf basierenden Ländergesetzen bundesweit auf ca. vier Mrd.
Euro. Der Schaden entsteht durch die Berücksichtigung von
Investitionen in betriebliche Anlagen, deren Abschreibung,
Rentabilität sowie Personalkosten und bestehende Mietverträge.
In der im Gutachten ermittelten Schadenssumme sind sinkende
Steu-ereinnahmen sowie zusätzliche Staatsausgaben für die
Finanzierung von mindestens 35.000 Arbeitslosen (50% der
Arbeitsplätze in de Automatenwirtschaft) nicht enthalten.
Die Stellungnahmen und weitere Unterlagen sind unter www.vdai.de
(Stichwort: Juristisches Presse-Fachgespräch) und unter
www.awi-info.de abrufbar.
Pressekontakt:
Dirk Lamprecht
Tel.: 030 24087760
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