DER STANDARD-Kommentar: "Sinnvoller Sündenfall" von Gerald John
Geschrieben am 24-11-2011 |
"Die Regierung muss sich steuerpolitisch weiter vorwagen als
bis zum Solidarbeitrag"; Ausgabe vom 25.11.2011
Wien (ots) - Es ist erstaunlich, für welche Lappalie manche ÖVPler
eine Zerreißprobe riskieren. Todesmutig kämpft der schwarze
Arbeitnehmerflügel für eine Solidarabgabe und damit gegen den
Wirtschaftsbund in der eigenen Partei. Deshalb müssen nun 0,03
Prozent der Einkommensbezieher bangen: Wer mehr als 500.000 Euro im
Jahr verdient, soll einen befristeten Steuerzuschlag zahlen.
Bringen wird der Obolus nicht einmal ein halbes Prozent des
gesamten Betrages, den die Regierung über die kommenden Jahre
braucht, um ihre ehrgeizigen Budgetziele zu erreichen. Jeder Euro
zählt, doch für diesen, Pardon, Fliegenschiss lohnt der Aufwand
wirklich kaum noch. Mehr als ein Placebo für Funktionäre, die nicht
als Anwälte der Reichen dastehen wollen, ist diese Solidarabgabe
nicht.
Um Gewissensberuhigung geht es aber nicht, sondern um eine sozial
ausgewogene Budgetsanierung. Dieses Ziel wird ein reines Sparpaket
nicht erreichen, weil dabei überwiegend jene draufzahlen, die auf
staatliche Unterstützung angewiesen sind. Verwaltungsreform schön und
gut; braucht die Regierung aber schnelles Geld, wird ein einseitiger
Sparkurs zu einem Gutteil auf harten Sozialabbau hinauslaufen.
Deshalb wäre auch ein Verbot von Steuererhöhungen, wie es das BZÖ als
Bedingung für ein Ja zur Schuldenbremse fordert, schädlich - von der
politischen Selbstverstümmelung ganz abgesehen: Ein Finanzminister
gliche einem Klavierspieler, der auf eine Hand verzichtet.
Schlägt SPÖ-Chef Werner Faymann in diesen Deal ein oder lässt er
sich auch nur seine "Millionärssteuer" durch das schwarze
Solidarbeitragerl abkaufen, werden ihn die eigenen Genossen wie
weiland Alfred Gusenbauer mit dem nassen Fetzen davonjagen. Will die
Koalition eine Einigung zustande bringen, wird die ÖVP also
nennenswerte Steuererhöhungen akzeptieren müssen. Die Alternative -
Neuwahlen - kann sich die Kanzlerpartei nicht wünschen, schon gar
nicht aber der Juniorpartner: Selbst schwarze Funktionäre räumen ein,
dass die eigenen Wähler weit weniger gegen "Reichensteuern" hätten
als der Mainstream "ihrer" Partei.
Die ökonomischen Umstände würden der ÖVP das Entgegenkommen
erleichtern, nicht nur, weil Steuern raschen Ertrag versprechen. Die
Experten vom Wirtschaftsforschungsinstitut halten vermögensbezogene
Steuern für eine Einnahmequelle, die das Wirtschaftswachstum nur
wenig dämpfen würde - am Vorabend einer drohenden Rezession ein
entscheidender Aspekt. Angesichts der hohen Konzentration von
Eigentum auf eine Oberschicht würden jene zahlen, die einen Beitrag
verkraften können.
Wäre das der Sündenfall der ÖVP? Unsinn. Koalitionäre Politik
bedeutet nun einmal Kompromiss, weshalb es unfair ist, die
Regierungsparteien ausschließlich an einzelnen Fahnenfragen zu
messen. Was zählt, ist das Gesamtpaket - und dabei kann die ÖVP ja
nicht minder sinnvolle "Strukturreformen" durchkämpfen und die
Sozialdemokraten, die etwa bei den Frühpensionen traditionell oft auf
der Bremse stehen, zu mehr Bewegung zwingen. Der reflexartige
Fingerzeig auf vermeintliche "Umfaller" ruiniert letztlich jede
sachliche Debatte, weil er Politiker dazu animiert, sich vorsorglich
nur mehr auf den Justamentstandpunkt zurückzuziehen. Kommen SPÖ und
ÖVP bei der Budgetsanierung einander entgegen, sind sie keine
Schwächlinge, sondern schlicht und einfach regierungsfähig.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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