Mediengipfel am Arlberg: Krise überfordert Parteien und spielt Populisten in die Hände (mit Bild)
Geschrieben am 03-12-2011 |
Lech/Zürs (ots) -
Zum Abschluss des 5. Mediengipfels am Arlberg stand eine spannende
Pressestunde in der Allmeinde in Lech am Programm.
ARD-Korrespondentin Susanne Glass und APA-Ressortleiter Ambros Kindel
erörterten mit Ihren Podiumsgästen die Frage, inwiefern die aktuelle
Krise die Parteienlandschaft Europas verändert. Fazit: Die Krise
spielt Populisten in die Hände, es gilt ihnen mit Besonnenheit
entgegenzutreten.
Das Finale des 5. Mediengipfels am Arlberg bildete eine
Pressestunde unter der Leitung von ARD-Korrespondentin Susanne Glass
und APA-Ressortleiter Ambros Kindel in der Allmeinde in Lech. Thema
waren die aktuellen Veränderungen in der Parteienlandschaft Europas
im Zuge der Wirtschaftskrise. Vor allem der europaweite Aufstieg
populistischer Parteien, die mit vermeintlich einfachen Antworten auf
die komplexen Herausforderungen der Krise auf Stimmenfang gehen,
stand dabei im Mittelpunkt. Denn solange die etablierten Parteien der
Bevölkerung echte Lösungsvorschläge schuldig bleiben, wird dieser
Trend anhalten.
Nationalstaat ist kein geeignetes Instrument gegen die Krise
Der Vizepräsident der European Investment Bank Wilhelm Molterer,
seines Zeichen ehemaliger Österreichischer Vizekanzler und
Finanzminister, hält die aktuelle Problemlage für mehr als nur eine
Wirtschaftskrise: "Es ist eine systemische Krise auf globaler Ebene,
in der EU und in den Nationalstaaten. Die traditionellen Parteien
haben plötzlich keine Antworten mehr parat. Denn viele ökonomische
Entscheidungen werden längst auf supranationaler oder globaler Ebene
getroffen. Wir versuchen aber mit dem Werkzeug des 19. Jahrhundert -
den Nationalstaaten - diese globale Krise des 21. Jahrhunderts zu
bewältigen." Dies könne gar nicht funktionieren, so Molterer, der von
den etablierten Parteien daher forderte, sich diesen neuen
Anforderungen anzupassen. Andernfalls drohe ihnen der
Bedeutungsverlust. Mit großer Besorgnis registriere er die
"Konjunktur nationaler Modelle", sprich den Aufstieg der Demagogen,
die allein darin begründet liege, dass die Großparteien ihren Wählern
keine Antworten geben können. Auf die Frage von Susanne Glass, ob
nicht auch die Großparteien wie die ÖVP mit diesem nationalen
Gedankengut spiele, entgegnete Molterer: "Ich bin kein Repräsentant
der ÖVP, aber ich halte das, wo immer es stattfindet, für fatal."
Zur Frage, ob auch unpopuläre Maßnahmen gegen die Krise, die
Europa aufoktroyiert, in Österreich durchsetzbar wären, überraschte
der ehemalige Vizekanzler mit offenen Worten: "Schauen wir uns die
Realitäten an. Wo ist denn im italienischen oder griechischen
Parlament noch eine Rede von nationaler Souveränität?"
Populismus in Europa am Vormarsch
Der österreichische Botschafter in Berlin, Ralph Scheide, brachte
die Deutsche Perspektive in die Diskussion ein. Er könne "noch keine
Radikalisierung" in der Parteienlandschaft in der Bundesrepublik
erkennen. Was er für bemerkenswert hält, weil in Resteuropa durchaus
Populisten mit ihrer undifferenzierten EU-Kritik Zulauf haben. Die
Piratenpartei, die in Berlin jüngst mit einem überraschenden
Wahlerfolg aufgezeigt hat, hält Scheide für ein Phänomen, das aber
noch keinen maßgeblichen Einfluss auf die Politik hat. In der zweiten
europäischen Großmacht, Frankreich, sieht die Situation aber anders
aus, wie Pascal Thibaut, der ehemalige Präsident der Auslandspresse
in Deutschland und Korrespondent von Radio France International in
Berlin, erklärte. In Paris blicke man sorgenvoll dem anstehenden
Wahljahr entgegen: "Es ist also sowohl im bürgerlichen Lager wie im
linken Lager der Nährboden für Nationalismus gegeben. Daher mache ich
mir hinsichtlich des kommenden Wahlkampfes auch Sorgen." Vor allem
die Tochter des rechtsextremen Front National-Gründers Jean Marie Le
Pen werde mit unverhohlenem Populismus und Nationalismus ins Rennen
um die Präsidentschaft gehen. Und man befürchte in Frankreich eine
Wiederholung von 2002, als Marine Le Pens Vater für ein politisches
Erdbeben bei den Präsidentschaftswahlen sorgte. In Verbindung mit der
Krise, so Thibaut, nehme der Populismus in beiden Lagern, links wie
rechts, zu. Auch die Vorbehalte gegenüber Deutschland. Ob er diese
antideutsche Stimmung als Gefahr für Europa erachte, wollte
APA-Ressortleiter Ambros Kindel vom Thibaut wissen. Der bejahte:
"Dieses Risiko besteht. Frau Le Pen wird das bestimmt nutzen, aber
auch die übrigen Parteien könnten dieser gefährlichen Verlockung
verfallen, um sich Stimmen zu sichern." Thibaut forderte daher die
Medien auf, Verantwortung zu übernehmen und diese Eskalation nicht
mitzutragen.
Der Regierungschef von Liechtenstein, Klaus Tschütscher, sprach
aus der Perspektive eines außenstehenden, aber sehr eng mit Europa
verwobenen Landes: "Die Krise in Europa macht auch uns Sorgen, denn
unser Land ist zu 99 Prozent auf Exporte angewiesen. Wenn es der Welt
und Europa schlecht geht, geht es uns daher doppelt schlecht." Noch
mache sich diese Krise nicht in der Liechtensteiner
Parteienlandschaft bemerkbar. Und mit Piraten rechne er in Vaduz
"höchstens im Fasching", nicht jedoch als politische Konkurrenten. Er
halte aber das Volk für mündig genug, für sich selbst zu entscheiden:
"Die Menschen suchen in erster Linie echte Antworten."
Zum Abschluss verwies Wilhelm Molterer darauf, dass es trotz der
schwierigen Situation, in der sich das vereinte Europa derzeit
befindet, auch Grund zur Hoffnung gibt: "Es gibt, wie in Polen mit
Donald Tusk, auch Beispiele, wie man mit proeuropäischer Haltung
nationale Wahlen gewinnen kann." Die Kunst bestehe letztlich darin,
Populisten mit Besonnenheit und rationalen Argumenten zu begegnen.
Denn die Bevölkerung erwarte sich von der Politik Lösungen, gerade in
schwierigen Zeiten wie diesen.
Initiiert wurde der Mediengipfel vor fünf Jahren von der
Kommunikationsagentur pro.media, seither wir die Veranstaltung in
enger Kooperation mit der Lech Zürs Tourismus GmbH organisiert. Im
Rahmen des Mediengipfels am Arlberg treffen sich alljährlich führende
Auslandskorrespondenten internationaler Medien mit österreichischen
Medienmachern, um aus unterschiedlichsten Länderperspektiven aktuelle
Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Medien sowie deren
gesellschaftspolitische Auswirkungen zu analysieren.
Unterstützt wird das Treffen der Auslandskorrespondenten vom
Verband der Auslandspresse in Österreich und Deutschland, Swarovski
Tourism Service GmbH, Intersky, Mercedes Benz sowie den
Medienpartnern Der Standard, APA - Austria Presse Agentur, ORF,
Vorarlberger Nachrichten, NZZ - Neue Zürcher Zeitung, news aktuell
sowie dem Presseclub Concordia.
Pressekontakt:
pro.media kommunikation
c/o mag. stefan kröll
kapuzinergasse 34a
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