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Gefangen in der verführerische Werbeflut der Industrie / Kinder- und Jugendärzte fordern mehr Kinderbewusstsein nicht nur in der Weihnachtszeit

Geschrieben am 07-12-2011

Bad Kreuznach (ots) - Die deutsche Gesellschaft für
Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) fordert alle Eltern auf,
sich mit verführerischen Werbebotschaften an Kinder
auseinanderzusetzen und diese in gegebenen Fällen auch deutlich als
Täuschungen zu entlarven.

Jüngstes Beispiel dafür ist die «Milchschnitte», die 2011 von der
Verbraucherorganisation foodwatch mit dem "Goldenen Windbeutel" als
gravierendste "Werbelüge des Jahres" bedacht worden war. Begründung:
Die Milchschnitte "ist keine sportlich-leichte Zwischenmahlzeit! Sie
hat mehr Zucker, mehr Fett und mehr Kalorien als eine
Schoko-Sahnetorte". "Eine so irreführende Werbung von Ferrero fördert
die Entwicklung von Übergewicht." Die zweifelhafte Ehrung war nach
Angaben von Dr. Johannes Oepen, Leiter des DGSPJ-Fachausschusses
Stationäre Prävention und Rehabilitation, zuvor im Jahr 2010 bereits
der Molkerei Zott für "Monte Drink", und 2009 Danone für den Joghurt
"Actimel" zuerkannt worden.

Wie wichtig solche Gegenkampagnen zu den Tricks und Machenschaften
der Werbeindustrie sind, belegen nur einige wenige Daten und Fakten:
Kinder in Deutschland sind eine hochattraktive Zielgruppe für Werbung
und Marketing. Die 11 Millionen Kinder, die zwischen 6 und 19 Jahren
sind, verfügen über mehr Geld als jemals vorher: Im Durchschnitt
1.800 EUR. Deshalb versucht die Werbewirtschaft, Kinder immer früher
an Markenprodukte zu binden und ihr Konsumverhalten zu beeinflussen.
Gut die Hälfte aller 20.000 bis 40.000 Werbespots, die pro Jahr
allein über das Fernsehen auf Kinder einströmen, vermarkten Süßwaren,
Limonaden und Knabberartikel, hat die Ernährungskommission der
Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin festgestellt.
Schon 2- bis 5-jährige Kinder stehen heute im Visier der Hersteller,
damit diese sich an den Konsum bestimmter Marken, Produkte oder Ess-
und Trinkgewohnheiten frühzeitig gewöhnen. Mit Softdrinks als wahre
Kalarienbomber und mit immer größeren Packungen für Schoko- und
Fastfood-Produkte wird schon Kleinkindern ein hoher Wohlfühlfaktor
suggeriert.

Bis zum Alter von 8 Jahren können sich Kinder der Faszination von
in ihren Augen attraktiven Produkten (DVDs, Spielzeug oder
Genussmittel, verziert mit ihren Lieblingshelden) nicht entziehen.
Erst ab dem Alter von 8 bis 10 Jahren beginnen Kinder die
Glaubwürdigkeit von Werbung allmählich in Zweifel zu ziehen, so
Johannes Oepen. Auf dem Wege zu einem abwägenden und kritischen
Konsumenten benötigen sie jedoch auch weiterhin orientierende
Unterstützung.

Doch was können Eltern, (Kinder)-Ärzte und Politiker tun, um
Kinder aus der verführerischen Welt der Werbeindustrie zu befreien?
Dazu hat die DGSPJ folgende 6 Handlungs-Richtlinien aufgestellt:

1) Vorbild sein! Tabakrauch ist ein Risikofaktor für Asthma. Dennoch
wird bei einem Drittel der asthmakranken Kinder und Jugendlichen zu
Hause geraucht und ein Fünftel der asthmakranken jungen Menschen
raucht dann auch selbst. Eltern sollten daher auf Tabakkonsum in den
eigenen vier Wänden verzichten!
2) Aufklären! Werbung ist zwar Teil des Alltags im Fernsehen, in
Zeitschriften und selbst auf der Straße. Dennoch müssen Eltern
darüber informieren, was hinter Werbespots steckt und dass diese
Kinder manipulieren können.
3) Aktiv werden! Gesundheitsfürsorge für Kinder ist mühsam, zahlt
sich auf Dauer aber aus. So ist es nicht zuletzt auch auf Druck der
Verbraucher gelungen, die Gesundheitsrisiken von Tabakkonsum deutlich
zu benennen und so den gesundheitlichen Schutz von Kindern zu
verbessern.
4) Politischen Druck aufbauen! Nur durch Druck von Eltern können
Hersteller zur Aufgabe fragwürdiger Werbespots wie etwa bei der
Milchschnitte (etwa über E-Mail Ketten) gezwungen werden. Doch ein
solcher Weg ist langwierig. Erst jüngst ist der Vorschlag
gescheitert, in der EU nach dem Vorbild des britischen Ampelsystems
auch in Deutschland Gesundheits-Ampeln auf Lebensmittel (Rote Punkte
für ungesunde Produkte) einzuführen.
5) Alltagswissen stärken! Kochkurse, Ernährungsberatung oder ein
verbindlicher Gesundheitsunterricht an Schulen müssen verbindlich
eingeführt werden.
6) Werbeverbote: Bei Sendungen, die nachgewiesenermaßen von sehr
vielen Kleinkindern angeschaut werden, muss auch über ein Werbeverbot
für Genussmittel nachgedacht werden.

Ein Patentrezept, um rasch gegen den an Kinder gerichteten
Missbrauch von Werbung vorzugehen, gibt es für Johannes Oepen zwar
nicht. Doch alle Maßnahmen zusammen, so die DGSPJ, werden auf Dauer
ihre Wirkung nicht verfehlen und könnten zu dem Kinderbewusstsein
führen, am dem es derzeit in- und außerhalb der Werbebranche so sehr
mangelt.



Pressekontakt:
Dr. med. Johannes Oepen
Fachausschuss "Stationäre Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen
für Kinder und Jugendliche"
55543 Bad Kreuznach
E-Mail: Johannes.Oepen@viktoriastift.de


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