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Börsen-Zeitung: Poker statt Schach, Kommentar zur Staatsschuldenkrise von Detlef Fechtner

Geschrieben am 07-12-2011

Frankfurt (ots) - Hopp oder top - die Bundesregierung besteht auf
eine Änderung der europäischen Verträge. Keine "faulen Kompromisse",
keine "Tricks", nicht mal "Trickschen" - deutsche Diplomaten reden
kurz vor dem EU-Gipfel auf einmal ganz undiplomatisch. Aber beweisen
gerade damit diplomatisches Geschick.

Denn dass die Bundesregierung vor dem Showdown in Brüssel einen
knallharten Kurs fährt, hat gute Gründe. Kanzlerin Angela Merkel und
Präsident Nicolas Sarkozy haben am Montag eine Vorgabe formuliert,
hinter den der EU-Gipfel nun nicht zurückfallen darf, soll die Chance
auf das Signal der Entschlossenheit und Geschlossenheit gewahrt
bleiben.

Dabei geht es gar nicht unbedingt um die Frage, ob die angestrebte
wirkungsvollere Überwachung nationaler Haushaltspolitik nicht auch
über "Protokoll 12" oder andere pfiffige Varianten durchsetzbar wäre.
Nein. Solche juristischen feinsinnigen Optionen provozieren doch nur
den Verdacht, dass es Europas Regierungen doch nicht ganz ernst
meinen. Da es beim EU-Gipfel aber gerade darum geht, Vertrauen
zurückzugewinnen, verbietet sich alles, was Halbherzigkeit vermuten
ließe.

Die Bundesregierung weiß, dass es jede Menge Vorbehalte gegen
ihren Vorschlag gibt - vor allem in Großbritannien. Merkel muss daher
die Flucht nach vorn antreten. Mit der bärbeißigen Ansage, sich zur
Not eben nur mit denen zu verbünden, die zur Fiskalunion bereit sind,
die berüchtigten "17 plus", setzt sie die Briten unter Druck.
Schließlich muss Großbritannien davon ausgehen, dass es Frankreich
und Deutschland gelingt, die anderen 15 Euro-Partner hinter sich zu
bringen - und vielleicht ja auch noch Polen und ein paar andere.
Gewiss, Staaten wie Irland haben gute Gründe, sich erst einmal zu
wehren. Schließlich droht der Regierung die unschöne Aussicht, zum
Referendum rufen zu müssen. Andererseits dürfte die akute Angst, dass
das Rating der Euro-Partner und vor allem des Euro-Schirms sinken
könnte, die Regierung in Dublin davon abhalten, gegen die Ansagen aus
Berlin und Paris zu rebellieren. Der harte Kurs Berlins zwingt London
dazu, Farbe zu bekennen - und erhöht den Druck auf die Euro-Partner,
sich hinter Paris und Berlin zu versammeln.

Na klar, die Bundesregierung pokert. Das klingt riskant - und das
ist es auch. Aber es wäre noch riskanter, sich wie üblich
kompromissbereit zu zeigen und sich auf geschickte Schachzüge in der
EU-Gipfelnacht zu verlassen. In Zeiten wie diesen ist Schach
gefährlicher als Poker.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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