"DER STANDARD"-Kommentar: "Aufräumen im Akademikerland"
von Lisa Nimmervoll
Geschrieben am 21-12-2011 |
Der Hochschulplan ist eine Chance, ein paar unipolitische
Anomalien zu beseitigen - Ausgabe vom 22.12.2011
Wien (ots) - Wildwuchs" ist ein Wort, das im Zusammenhang mit der
österreichischen Hochschullandschaft immer wieder verwendet wird.
Nicht nur vom Wissenschaftsrat, der das bis jetzt de facto
unregulierte, unkontrollierte, ungesteuerte Nebeneinander von 21
öffentlichen Universitäten, zig Fachhochschulen, diversen
Pädagogischen Hochschulen und einigen Privat-Unis so umschrieben hat.
Weil Wildwuchs die Verfasstheit des Hochschulsektors am besten
trifft.
Wilde Zustände.
Da Akademikerschmieden mit Studiengebühren, dort welche ohne oder nur
für ein paar negativ Auserwählte, die einen mit strikten Kontingenten
und klaren Aufnahmeverfahren, die anderen nach dem Motto: Holladaro,
wir wären jetzt alle zum Studieren da! "Wären" im Konjunktiv, weil
die Umstände in bestimmten Fächern mittlerweile so sind, dass der
Beginn eines Studiums nur eine höchst vage Chance auf einen Abschluss
bedeutet.
Das kann nicht Universität sein. Das darf Universität nicht sein.
Darum ist es gut, dass endlich ein Hochschulplan erarbeitet wird:
Aufräumen im Akademikerland. Gut für alle, die drinstecken. Für den
Finanzier (in Österreich noch immer fast ausschließlich der Bund,
also wir alle, die Steuerzahler), für die Rektoren der
Bildungsinstitutionen, für diejenigen, die dort arbeiten als Lehrende
und Forschende - und vor allem für die Studierenden. Auch wenn die es
vielleicht am wenigsten glauben.
Niemand muss sich vor einem Hochschulplan fürchten. Alle werden davon
profitieren, wenn dieser Wildwuchs "kultiviert" wird.
Es ist die historische Chance, ein paar österreichischen Anomalien
den Garaus zu machen. Der "freie Hochschulzugang" hat nicht (mehr)
viel mit Freiheit zu tun. Die wird den meisten Kindern aus
"bildungsfernen" und sozial oder ökonomisch schwachen Familien schon
viel früher, an der Schwelle nach der Volksschule, genommen. Dort ist
die wahre, die gesellschaftspolitisch wirklich obszöne
"Zugangsbeschränkung" ins gelobte Akademikerland. Dort wird am
wirkmächtigsten selektiert - noch immer.
Aber das ist kein guter Grund für eine vermeintliche spätere
Wiedergutmachung an der Uni-Pforte, indem man die Uni irrigerweise
als unendlich dehnbares Gefäß imaginiert - und ruiniert. Das ist
verrückt. Niemand (hoffentlich) will weniger Studierende, auch die
Politik nicht. Es sei denn, sie hätte den Verstand verloren. Nur: Man
wird sich von der Selbsttäuschung verabschieden müssen, dass die
Institution Universität als einzige weit und breit losgelöst von
Kategorien wie Endlichkeit von Kapazität und Budget "funktionieren"
soll, nur weil die Politik zu keiner Lösung in der Lage ist.
Apropos Budget: Dass der Wissenschaftsminister, dessen größtes Pfand
als Politiker sicher sein zweites Ich als vormaliger Rektor der Uni
Innsbruck ist, von der erhofften "Hochschulmilliarde" zumindest eine
"Töchterle-Dreiviertelmilliarde" neu holen konnte, ist ein echter
Hoffnungsschimmer in nicht nur universitäts-, sondern budgetpolitisch
düstersten Zeiten. Dieses Geld ist die lebenserhaltende Infusion für
die Unis, ohne die deren Existenz echt bedroht gewesen wäre.
Wir würden viel verlieren, wenn wir sie verkommen ließen.
Gesellschaften brauchen sie als Orte der Selbstkritik,
Selbstermutigung, Selbsterneuerung. Albert Einstein formulierte das
Besondere so: "Das Streben nach Wahrheit und Erkenntnis gehört zum
Schönsten, dessen der Mensch fähig ist."
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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