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Schwäbische Zeitung: Astrologische Forscher - Leitartikel

Geschrieben am 29-12-2011

Leutkirch (ots) - Die Zunft der Wahrsager ist möglicherweise so
alt wie die Menschheit: In der Antike gab es Orakel-Spezialisten,
Auguren, eine Kassandra, Sterndeuter und viele artverwandte Weise.
Sie bezogen ihre vorausschauenden Erkenntnisse etwa aus der Leber von
Opfertieren, aus dem Vogelflug, aus wie auch immer gearteter
göttlicher Eingebung. Uralte Zunft - lohnendes Handwerk. Denn die
Sehnsucht der Zeitgenossen, einen wenigstens winzigen Blick in die
Zukunft werfen zu dürfen, ist offensichtlich urmenschlich. Und sie
ist bis heute ungebrochen und so stark, dass die Vernunft oft keine
Chance hat gegen astrologischen Unsinn. Hochkonjunktur haben die
schrägen Propheten traditionell zum Jahreswechsel: Da wird geweissagt
auf Teufel komm raus.

Seit ein paar Jahren verdichtet sich aber der Eindruck, es habe
sich der einst höchst ehrenwerte, durch und durch rationale
Berufsstand der Wirtschaftsforscher auf Sterndeuter-Niveau
eingependelt. Eine Studie der Uni Köln hat ergeben, dass die
Bundesbürger den Wirtschaftswissenschaftlern kaum mehr Kompetenz
zubilligen als eben den Astrologen. Das ist einerseits ein
betrüblicher Befund, andererseits ist er nicht vom Himmel gefallen.
Die Herrschaften haben in den vergangenen Jahren Diverses
prognostiziert - vergessen haben sie aber beispielsweise die
Finanzkrise. Der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat dieses Jahr bei
der Tagung in Lindau seinen Kollegen mit einer gewissen Süffisanz
vorgehalten, dass in den Standard-Rechenmodellen der Notenbanken
keine Banken existierten. Anders: Die Modellwelt der
Wirtschaftsforscher hat den Finanzsektor bisher einfach ausgeblendet.
Man darf also durchaus mit Vorsicht und Gelassenheit zur Kenntnis
nehmen, was da angeblich im neuen Jahr so dräut.

Geradezu handfest und solide kommt demgegenüber die
Stimmungsumfrage aus Allensbach daher. Immerhin 49 Prozent der
Deutschen schauen demnach eher erwartungsfroh ins Jahr 2012. Denen
wollen wir uns einfach mal zwanglos anschließen.



Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 07561-80 100
redaktion@schwaebische-zeitung.de


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