WAZ: Kampf um unsere Stabilitätskultur
- Leitartikel von Thomas Wels
Geschrieben am 01-01-2012 |
Essen (ots) - Es wäre vermessen, das Jahr 2012 mit Blick auf das
anhaltende Euro-Desaster als das Jahr der Lösungen zu bezeichnen. Es
wird das Jahr der Weichenstellungen, nicht mehr, aber auch nicht
weniger. Zwei Jahre lang eierten die Regierungen der Euro-Länder
durch die Krise. Erst auf dem Dezember-Gipfel zeigte die Kanzlerin
Führungsstärke. Sollten automatische Strafen für Schuldensünder und
nationale Schuldenbremsen Vertragsrecht werden - die Gemeinschaft
wäre bei der Ursachenbekämpfung der Malaise einen Schritt weiter. Ob
es so kommt, ob es schnell genug so kommt, darf man bezweifeln. In
Deutschland hat die Selbstfesselung der Politik einige Jahre mit
heftigen Diskussionen in Anspruch genommen, bis die Schuldenbremse
Verfassungsrang bekam. Das wird in den anderen Euro-Ländern nicht
anders sein. Absichtserklärungen aber reichen den Akteuren auf den
Finanzmärkten schon lange nicht mehr aus. Durchschlagender wäre es,
der Vertrauens- und Schuldenkrise mit Schuldentilgungsfonds zu
begegnen: Alle Verbindlichkeiten über 60 Prozent der
Wirtschaftsleistung kommen in den Topf, und die Staaten verpflichten
sich, binnen 20 Jahren die Schulden zu tilgen. Das wäre schneller zu
machen, glaubwürdig wäre es auch. Die Bundeskanzlerin muss daran ein
fundamentales Interesse haben. Gelingt es nicht, das Vertrauen in die
Solidität der Euro-Haushälter wiederherzustellen, wächst der Druck
vor allem auf Deutschland: Im ungünstigen Fall droht eine
Vergemeinschaftung der europäischen Schulden, womit deutsche
Steuerzahler die Zinslasten von Italienern, Spaniern oder Griechen
mitbezahlen; im schlimmsten Fall drohen die Notenpresse und
Geldentwertung über wachsende Inflation, womit die kleinen Sparer die
Last zu tragen haben. Die Debatte über die Rolle der Europäischen
Zentralbank kommt so sicher wie der nächste Krisengipfel. Und
Deutschland steht ziemlich einsam da: Erstens hat kein anderes Land
die Erfahrung zweier Hyperinflationen im Volksgedächtnis. Zweitens
sind Notenpresse und/oder Schuldengemeinschaft für die anderen
Regierungen der deutlich bequemere Weg als der radikale
Schuldenabbau. Fazit: Merkel hat recht: 2012 wird hart. Sie wird
nicht nur um den Euro kämpfen müssen, sondern auch um die deutsche
Stabilitätskultur. Wehe, wenn Sarkozy hier von der Fahne geht.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de
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