DER STANDARD-KOMMENTAR "Nur die volle Wahrheit gilt" von Alexandra
Föderl-Schmid
Geschrieben am 06-01-2012 |
Wulff und Wrabetz haben sich selbst und ihre Institutionen
schwer beschädigt - Ausgabe vom 7./8.1.2012
Wien (ots) - Für Christian Wulff und Alexander Wrabetz trifft das
zu, was der Philosoph Ludwig Marcuse, in abgewandelter Form,
festgestellt hat: Die Wahrheiten lägen oft nicht in dem, was man
sage, sondern in dem, was man nicht sage.
Die Position des deutschen Bundespräsidenten lässt sich zwar mit
jener des Chefs des Österreichischen Rundfunks nicht vergleichen: Der
eine vertritt ein Land, der andere leitet das größte
Medienunternehmen des Landes. Aber beide nehmen es mit der Wahrheit
nicht so genau und haben damit dem Amt und ihrer eigenen Autorität
Schaden zugefügt.
Dass ihr Wort nichts mehr gilt - oder zumindest angezweifelt werden
kann -, daran sind beide selbst schuld. Wrabetz hat nach seiner von
Nikolaus Pelinka organisierten Wiederwahl zum ORF-Generaldirektor
mehrfach versichert: Dass Pelinka Kommunikationschef werde, basiere
auf "völlig haltlosen Gerüchten, die jeder Grundlage entbehren". Er
berief sich auf Pelinka, der "einen Wechsel in den ORF für sich
ausgeschlossen" habe, weshalb "dem nichts hinzuzufügen ist". Das war
am 11. August. Zwei Tage davor hatte Wrabetz behauptet: "Im Gegensatz
zu anderen Mitbewerbern habe ich nicht mit der Politik verhandelt."
Wrabetz kann nicht wie weiland Konrad Adenauer behaupten: Was kümmert
mich mein Geschwätz von gestern? Er muss sich vorhalten lassen, was
er gesagt hat. Formal kann er argumentieren, die Frage habe sich nur
auf einen Wechsel Pelinkas auf den Posten des Kommunikationschefs,
nicht auf den ihm zugedachten Büroleiter-Sessel bezogen. Aber ob er
nun diesen oder jenen Job im ORF bekommt, ist - nicht nur wegen der
Ausschreibung, in der keine Qualifikationen und genauen Aufgaben
beschrieben werden - zweitrangig. Es geht um die Absprachen dahinter
und um die Tatsache, dass Wrabetz nicht die volle Wahrheit gesagt
hat.
Auch Wulff hat formal die richtigen Antworten gegeben, als es im
niedersächsischen Landtag um die Frage ging, wer ihm nun einen Kredit
für sein Haus gegeben hat. Aber es war eben nicht die ganze Wahrheit.
Und es tauchen immer mehr Unschärfen auf, auch durch seine Äußerungen
in seinem letzten TV-Interview, das als Befreiungsschlag gedacht war.
So widerspricht Wulffs Bank: Der Kreditvertrag zur Finanzierung
seines Hauses sei - anders als vom deutschen Bundespräsident
geschildert - nicht bereits im November besiegelt worden.
Gravierender sind die Vorwürfe der Bild-Journalisten: Wulff soll in
dem Telefonat mit Bild-Chefredakteur Kai Diekmann nicht nur um eine
Verschiebung des Berichts über seinen Kredit, wie vom
Bundespräsidenten behauptet, gebeten haben. Vielmehr soll er gedroht
haben, die Worte "Krieg führen" und "Strafantrag" sollen gefallen
sein. Demnach hat Wulff nicht gelogen - aber auch nicht die volle
Wahrheit gesagt. Den Wahrheitsbeweis - die Veröffentlichung des
Mitschnitts - will der Bundespräsident aber nicht zulassen, was seine
Glaubwürdigkeit weiter untergräbt.
Es geht in beiden Fällen nicht um Wortklauberei, sondern darum: Wem
kann man was - noch - glauben? Lüge und Anstand sind ein
Geschwisterpaar, heißt ein deutsches Sprichwort. Wulff wie Wrabetz
haben es an Anstand vermissen lassen. Anstand und Glaubwürdigkeit
sind aber Voraussetzung für die Arbeit in der Politik oder im
Medienbereich. Beide haben ihre Glaubwürdigkeit und die Reputation
ihrer Institutionen schwer beschädigt.
Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
371768
weitere Artikel:
- Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
CSU in Wildbad Kreuth
Kraftvoll sieht anders aus
RALF MÜLLER, Z.Z. KREUTH Bielefeld (ots) - Was ist nur mit der CSU los? Es gab noch keine
Kreuther Klausur, auf der die zuvor ins Gespräch gebrachten Projekte
Stück für Stück demontiert wurden. Kraftvolle Politik sieht anders
aus. Da wollte die Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt der
NPD (und anderen verfassungsfeindlichen Parteien) den Geldhahn
zudrehen: Schwierig, meinte der Präsident des
Bundesverfassungsgerichts, Unfug der eigene Bundesinnenminister. Da
wollte man beim Publikum mit der schneidigen Forderung nach Rauswurf
von reformunfähigen mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zu Wulff Bielefeld (ots) - Wenn Christian Wulff in Schloss Bellevue bleiben
will, dann darf er das auch. So sehen es die Regeln unseres Staates
vor. Aber wie sagte Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert: Es
gibt keinen Moment, in dem festgestellt werden kann, nun sei ein
Thema vorbei. Deswegen könnten auf Christian Wulff noch mehrere Tage
zukommen wie der Freitag. Erst widerspricht ihm die Bank, bei der er
sein Haus abbezahlt, im Hinblick auf den Zeitpunkt des
Vertragsschlusses. Dann beteuert die lange schweigsame Kanzlerin ihre
Wertschätzung mehr...
- FZ: "Vor die Wand gefahren" Kommentar der "Fuldaer Zeitung" (Samstagausgabe, 7. Januar) zu Saarland/FDP Fulda (ots) - Jamaika-Koalition - das hört sich entspannt an: Ein
Bündnis von lässigen Menschen, die unter ewiger karibischer Sonne
sorglos in den Tag hinein leben, komplizierte Rhythmen auf
Blechkanistern trommeln und so tolerant sind, dass auch der
demonstrative Konsum illegaler Rauchwaren nicht mal mit einer
hochgezogenen Augenbraue quittiert wird. Soweit das Klischee. Doch
das Saarland liegt nicht südlich von Kuba. Und der Nieselregen von
Saarbrücken ließ offenbar keine Urlaubsstimmung in der
Regierungsmannschaft aufkommen. mehr...
- Kölner Stadt-Anzeiger: Hans Werner Kilz rät: Wulff-Anruf bei der Bild-Zeitung "tiefer hängen" - Ex-Chef von Spiegel und SZ hält verärgerte Telefonate von Politikern für "das Normalste von der Welt" Köln (ots) - Köln. In der Debatte über eine Einflussnahme von
Bundespräsident Christian Wulff auf Medienberichte hat der frühere
Chefredakteur von "Spiegel" und "Süddeutscher Zeitung", Hans Werner
Kilz, den Journalisten mehr Gelassenheit empfohlen. Verärgerte Anrufe
von Spitzenpolitikern bei Chefredakteuren seien "das Normalste von
der Welt", sagte Kilz dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag-Ausgabe).
"Journalisten sollten nicht so larmoyant sein." Er verstehe zwar,
"dass die Journalistenverbände jetzt Zeter und Mordio schreien
müssen, mehr...
- BERLINER MORGENPOST: Die FDP und die Gleichgültigkeit Berlin (ots) - Die Rede des Chefs war das, was man
umgangssprachlich okay nennt. Ein bisschen unbeholfen, aber deutlich,
stellenweise sogar kämpferisch. Er sprach nicht mehr über
Steuersenkungen, dafür erklärte er die Sanierung des Haushalts zum
wichtigsten Thema der Regierung. Natürlich gab es viel Kritik an
Grünen und SPD, auch an der Union. Inhaltlich war also alles drin,
was man von Philipp Röslers Rede auf dem Dreikönigstreffen erwarten
durfte. Begeisterung? Mäßig. Und weiter? Wenn man mit politisch
interessierten Menschen über mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|