Hähnchenfleisch in Supermärkten mit antibiotikaresistenten Krankheitskeimen belastet. Handel muss Kunden vor Erregern schützen und Risiko-Produkte aus den Regalen verbannen.
Geschrieben am 09-01-2012 |
Berlin (ots) - Hähnchenfleisch aus deutschen Supermärkten und
Discountern ist zu großen Teilen mit antibiotikaresistenten Keimen
belastet. Auf zehn von 20 in Berlin, Hamburg, Köln, Nürnberg und in
der Region um Stuttgart gekauften Fleischproben hat der Bund für
Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ESBL-Keime gefunden, zwei
Proben waren mit MRSA-Keimen belastet. Die Keime entstehen, weil in
der industriellen Tierhaltung systematisch große Mengen Antibiotika
eingesetzt werden. ESBL-produzierende Darmkeime (Extended Spectrum
Beta-Lactamase) und MRSA-Keime (Methicillin-resistente Staphylococcus
aureus) können bei anfälligen Menschen zu schweren Erkrankungen bis
hin zu Todesfällen führen. Antibiotikaresistenzen sind deshalb so
gefährlich, weil in der Humanmedizin verabreichte Antibiotika ohne
Wirkung bleiben können.
ESBL-belastet waren drei Proben des Hähnchenlieferanten
"Wiesenhof", gekauft bei Edeka in Berlin, Netto in Köln und Lidl in
der Stuttgarter Region. Drei Proben des Lieferanten "Sprehe" wiesen
ebenfalls ESBL-Keime auf, gekauft wurden sie bei Rewe in Köln bzw.
bei Edeka in Nürnberg. Eine weitere Hähnchenfleischprobe von
"Sprehe", gekauft bei Rewe in Hamburg, enthielt MRSA-Keime. Vier
Proben von "Stolle", zwei davon gekauft bei Penny in Berlin und zwei
bei Netto in Hamburg wiesen ESBL-Keime auf, eine der bei Netto in
Hamburg gekauften Proben enthielt außerdem MRSA-Keime.
Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender: "Jede zweite
Hähnchenfleisch-Probe aus deutschen Supermärkten ist mit
antibiotikaresistenten Keimen belastet. Das ist die erschreckende
Folge des fortgesetzten Antibiotika-Missbrauchs. Dieser ist nicht nur
dafür verantwortlich, dass wichtige Medikamente ihre lebensrettende
Wirkung verlieren können. Das Ausmaß der Kontamination von
Lebensmitteln mit Krankenhauskeimen ist ein deutliches Warnsignal vor
den Kollateralschäden der industriellen Tierhaltung."
Eine immer größere Zahl von Nutztieren auf zu wenig Platz zu
halten, sei nur unter Einsatz großer Mengen von Antibiotika möglich.
"Bundesagrarministerin Ilse Aigner muss handeln. Die industrielle
Tierhaltung muss endlich zurückgedrängt werden", sagte Weiger.
Subventionen für die industrielle Fleischerzeugung müssten
abgeschafft und die Haltungsbedingungen für Nutztiere entscheidend
verbessert werden.
Weiger rief die Handelsketten und Supermärkte auf, mit Keimen
belastetes Fleisch aus den Regalen zu verbannen. Von ihren
Fleischlieferanten sollten sie verlangen, dass diese umgehend zu
Tierhaltungsformen ohne Antibiotika-Missbrauch wechseln. Als
Beispiele für umwelt- und tiergerechte Haltungsformen nannte Weiger
die Fleischerzeugung in Betrieben der ökologischen Landwirtschaft und
in Neulandbetrieben.
Die BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning forderte von Aigner,
umfassende Daten über die Keim-Belastung von Lebensmitteln zu erheben
und offenzulegen. "Hähnchen, Hühner, Schweine und Kälber leiden
millionenfach unter inakzeptablen Haltungsbedingungen und erkranken
daran. Bekämen sie keine Antibiotika verabreicht, würden sie in
vielen Fällen nicht bis zum Schlachten durchhalten. Selbst gesunde
Tiere bekommen die Antibiotika, weil in der industriellen Tierhaltung
in der Regel ganze Tierbestände damit behandelt werden", sagte
Benning.
Die Bundesregierung müsse dem Beispiel der Niederlande und
Dänemarks folgen und verbindliche Pläne zur Reduzierung des
Antibiotika-Einsatzes aufstellen. Selbstverpflichtungen aus der
Fleischwirtschaft könnten eine solche Maßnahme nicht ersetzen. Der
BUND kündigte an, gemeinsam mit anderen Organisationen bei einer
Großdemonstration am 21. Januar anlässlich der Grünen Woche in Berlin
unter dem Motto "Wir haben es satt - Bauernhöfe statt
Agrarindustrie!" für Reformen in der Agrarpolitik auf die Straße zu
gehen.
Die BUND-Analyse zu antibiotikaresistenten Keimen in
Hähnchenfleisch finden Sie als pdf zum Download unter:
www.bund.net/antibiotika-resistenzen
Unter www.bund.net/das-haben-wir-satt können Verbraucherinnen und
Verbraucher Handelsketten dazu aufrufen, belastetes Fleisch aus den
Regalen zu nehmen
Pressekontakt:
Reinhild Benning, BUND-Agrarexpertin, Mobil: 0175-7263779 bzw.
Rüdiger Rosenthal, BUND-Pressesprecher, Tel. 030-27586-425/-489,
Mobil: 0171-8311051; E-Mail: presse@bund.net, www.bund.net
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