DER STANDARD-Kommentar: "Das Ost-Risiko ist unbestreitbar" von Eric
Frey
Geschrieben am 17-01-2012 |
Der Fall Ungarn zeigt, dass Österreichs Banken nicht auf der
sicheren Seite sind // Ausgabe vom 18.01.2012
Wien (ots) - Seit der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman
im April 2009 eine Staatspleite Österreichs wegen der Ostengagements
seiner Banken in den Raum gestellt hatte, kämpfen heimische Banker
und Politiker gegen den Eindruck an, von der Oststrategie von
Raiffeisen, Erste Group und Bank Austria gehe für die Volkswirtschaft
ein unkontrollierbares Risiko aus. Nach Jahren der Ruhe hat die
Ungarn-Krise neue Zweifel an der Auslandsstrategie der Banken
erweckt; für die US-Ratingagentur Standard & Poor's ist die starke
Verflechtung mit dem Nachbarland einer der Hauptgründe für die
Aberkennung des Triple-A-Ratings.
Banker wie RZB-Chef Walter Rothensteiner schlagen nun ähnlich
schrille Töne wie 2009 an: Die Argumentation von S&P sei "Unfug" und
eine "generelle Schlechtmache Osteuropas". Und Kanzler Werner Faymann
wischt das Ostrisiko mit dem Hinweis vom Tisch, dass Nationalbank und
FMA ohnehin schon "an einer Stabilisierung der Situation" arbeiten.
Wirklich beruhigend klingt das nicht.
Offenbar verstehen die heimische Eliten das Wesen von Risiko nicht,
oder sie verzerren in ihren Rechtfertigungsversuchen bewusst die
Fakten. Niemand behauptet heute, dass ganz Osteuropa pleite_gehen
wird, dass die Banken in ihrer Existenz gefährdet sind oder dass sich
Österreich eine neuerliche Bankenrettung nicht leisten kann.
Aber die Region an sich ist volatil, wie auch die "Wiener Initiative"
feststellt. Ungarn ist ein Kandidat für eine Staatspleite, und die
drei Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission erhöhen diese
Gefahr. Die Kommission fordert von Premier Viktor Orbán eine
Kehrtwende in Kernbereichen seiner Politik, was sein Einlenken sehr
unwahrscheinlich macht. Setzt Orbán stattdessen auf Konfrontation,
dann dürften die ausländischen Banken, wie bei der Zwangsumwandlung
der Frankenkredite, erneut zur Zielscheibe seines Populismus werden.
Die Ungarn sind nicht die einzigen Problembären. Rumänien, wo die
Erste Group stark engagiert ist, steht wirtschaftlich und politisch
an der Kippe, und die Ukraine ist völlig unberechenbar. Selbst im
stabilen Polen wächst die Gefahr finanzieller Turbulenzen. Und
Fremdwährungskredite haben in der ganzen Region Sprengpotenzial.
Nun stimmt es, dass ein Großteil der im Osten vergebenen Kredite
durch lokale Einlagen gedeckt ist. Ein Großteil, aber nicht alles,
und gerade die neuen Richtlinien der heimischen Aufsicht, die Kredite
einzuschränken, sind ein Zeichen dafür, dass Darlehen oft zu rasch
und leichtfertig vergeben wurden. Sonst wäre diese Anweisung, die in
Brüssel und in betroffenen Staaten auf Kritik stößt, ja nicht
notwendig.
Knapp 40 Prozent des österreichischen BIPs würde ein Totalkollaps des
Ostgeschäfts der Banken kosten. Das wird zwar nicht passieren, aber
allein die theoretische Möglichkeit ist ein Grund zur Vorsicht. Die
Oststrategie der Banken war zweifellos richtig und hat in früheren
Jahren viel Gewinn gebracht. Doch hohe Profite sind bekanntlich immer
nur dort möglich, wo auch viel Risiko eingegangen wird.
Nichts anderes als das hat S&P behauptet. Österreich bleibt mit einem
AA+-Rating eines der sichersten Länder der Welt. Aber die
Unvorhersehbarkeit der Entwicklung im Osten und die massiven Folgen
eines Finanz-Tsunamis auf Österreichs Wirtschaft geben jenen Recht,
die Länder wie Deutschland, Finnland oder die Niederlande noch etwas
sicherer einschätzen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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