'Börse Online'-Interview mit Ferdinand Fichtner, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW):
Für Deutschland keine Gefahr einer Negativspirale
Geschrieben am 25-01-2012 |
Frankfurt (ots) - Kritik am Management der Staatsschuldenkrise /
Führungsrolle der EZB gefordert / Vergabe einer Banklizenz an den
Rettungsschirm würde Eingriffe erleichtern / Eurobonds vorstellbar /
Deutschland erlebt nur technische Rezession
Ferdinand Fichtner, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW) kritisiert das Management der
internationalen Staatsschuldenkrise. "Die Krise kann nicht so
weitergehen wie bisher - was wir seit eineinhalb Jahren erleben, ist
ein Durchwursteln", sagte Fichtner im Interview mit dem
Anlegermagazin 'Börse Online' (Ausgabe 05/2012, EVT 26. Januar). Sehe
man den immensen Refinanzierungsbedarf von Ländern wie Italien und
Spanien, sei nicht vorstellbar, dass diese Länder Zinsen von sieben
Prozent zahlen werden. "Das heißt, es muss jemand eingreifen."
Hier sei die EZB gefordert, die sich Fichtner zufolge unter der
Führung von Mario Draghi weniger gegen Interventionen sperren dürfte.
Der DIW-Konjunkturchef geht davon aus, dass die Notenbank die Krise
beenden könnte, wenn sie ankündigen würde, dass ihre
Interventionsmasse quasi unbegrenzt sei "Dann würden die
Marktteilnehmer erkennen, dass es sich nicht mehr lohnt, gegen die
EZB zu zocken."
Fichtner rechnet damit, dass die EZB im ersten Halbjahr
interveniert und glaubt, dass es am saubersten wäre, wenn sie dem
existierenden Rettungsschirm EFSF beziehungsweise dem künftigen
Rettungsschirm ESM die Refinanzierung erleichtern würde. "Das könnte
über die Vergabe einer Banklizenz erfolgen oder indem sie auf dem
Sekundärmarkt für EFSF/ESM-Anleihen interveniert und dort versucht,
den Zins zu manipulieren", erklärte er gegenüber 'Börse Online'.
Auf lange Sicht kann sich Fichtner auch die Ausgabe von Eurobonds
vorstellen. Für ein Europa, dass sich geldpolitisch so stark
zusammengerauft hätte, müsste es ein Ziel sein, auch finanzpolitisch
eng zusammenzuarbeiten. "Voraussetzung wäre aber, dass nicht jedes
Land auf Kosten der anderen machen kann, was es will", betonte er.
Deutschland könne sich zwar dem konjunkturellen Abwärtsstrudel,
den die Staatsschuldenkrise in Euroland bewirkt hat, nicht ganz
entziehen. So prognostiziert der Konjunkturexperte zwei Quartale mit
leicht sinkender Wirtschaftsleistung für die hiesige Wirtschaft, was
man eine technische Rezession nennt. "In einem breiteren Sinne würde
ich dennoch nicht von Rezession sprechen", ergänzte Fichtner. "Denn
wir haben nicht, was man gemeinhin in einer Rezession hat, nämlich
einen Einbruch des Arbeitsmarkts oder die Gefahr, dass die Wirtschaft
in eine Negativspirale reinläuft."
Pressekontakt:
Ludwig Heinz, Redaktion G+J Wirtschaftsmedien
Tel.: 0 69/15 30 97 -7 53, Fax: 0 69/15 30 97 -7 99
E-Mail heinz.ludwig@guj.de
www.boerse-online.de
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