Mittelbayerische Zeitung: Hellas und der Tag X
Geschrieben am 13-02-2012 |
Regensburg (ots) - Von Reinhard Zweigler
Weil der 16-Jährige Otto von Bayern vor der Besteigung des
griechischen Throns 1832 noch nicht mündig war, handelte sein Vater
Ludwig I. eine Anleihe von 60 Millionen Franc für das junge
Königreich aus. Bereits damals war das moderne Griechenland vom
Wohlwollen und der Hilfe der europäischen Gemeinschaft abhängig. Doch
Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht. Eine Gesundung des arg
gebeutelten Hellas ist heute nicht nur eine Frage von vielen
Euro-Milliarden, sondern auch von Jahren und Jahrzehnten. Eine
Herkulesaufgabe fürwahr. Und ob sie gelingt, ist völlig offen.
Zumindest haben die griechische Übergangsregierung und das
griechische Parlament zunächst einmal die Weichen für weitere
Finanzhilfen der EU gestellt. Genauer, dass bis weit über die
Halskrause verschuldete Land wird mit neuen Krediten von 130
Milliarden Euro weiter über Wasser gehalten, eine drohende
Staatspleite kann wahrscheinlich mit diesen Geldern der anderen
Euro-Länder verhindert werden. Vorerst wird Zeit erkauft. Wieder
einmal. Nicht mehr und nicht weniger. Dabei müssen sich die an der
Griechenland-Rettung Beteiligten vorkommen wie der sagenhafte
Sisyphos. Kaum hatte der den Stein auf den Berg gewuchtet, rollte der
wieder nach unten. Seit fast zwei Jahren wird Athen immer wieder
"gerettet". Was vor einem Jahr noch undenkbar schien, etwa ein
Schuldenschnitt von privaten Gläubigern, Banken, Hedgefonds usw., ist
jetzt bald greifbare Realität. Angela Merkel meinte zu Beginn der
Krise, es werde kein deutscher Euro nach Athen überwiesen. Das alles
ist längst überholt. Und die Kanzlerin gibt die unverwüstliche
Berufsoptimistin. Beinahe beschwörend klingt ihr Appell, sie werde
sich nicht daran beteiligen, Griechenland aus dem Euro zu drängen.
Dabei sitzen die Zweifler direkt neben ihr am Kabinettstisch und in
der Union. Vize-Kanzler Philipp Rösler, inzwischen zum Chef einer
Drei-Prozent-Partei geschrumpft, schwadroniert schon lange vom "Tag
X", einer Staatspleite und dem Ausschluss aus der Euro-Zone. Bayerns
Haudrauf-Finanzminister Markus Söder schlägt in dieselbe Kerbe. Und
CSU-Chef Horst Seehofer kommt nun sogar mit der Schnapsidee einer
Volksabstimmung über die Griechenland-Hilfe. Was aus parteitaktischen
Gründen vielleicht noch verständlich wäre, tut der Sache einen
Bärendienst. Das zweijährige Hinhalten, Zögern und Streiten hat die
Malaise nicht einfacher gemacht. Im Gegenteil. In der EU herrscht
hektische, teure Hilflosigkeit in Sachen Griechenland. Die Frage, die
heute zu beantworten ist, lautet doch nicht, ob Griechenland noch im
Euro-Raum gehalten werden kann, sondern zu welchem Preis. Und ob die
Folgekosten eines wie immer gearteten Ausstiegs aus der
Gemeinschaftswährung nicht viel höher sind. Dabei geht es um brisante
politische, ökonomische, soziale, kulturelle Fragen. Die stolzen
Griechen werden durch ein Diktat der Troika aus EU, IWF und EZB
geknebelt. Sie müssen sich tiefe Einschnitte in ihr soziales Netz, in
parlamentarische und verfassungsmäßige Rechte gefallen lassen, damit
die Geldgeber das Land nicht in eine ungeordnete Staatspleite taumeln
lassen. Dagegen allerdings wären die jetzigen Unruhen wahrscheinlich
nur ein lauer Vorbote. Schon jetzt erodiert das bisherige politische
- und zumeist korrupte - politische System. Doch ein von sozialen
Unruhen und politischem Chaos bestimmtes Hellas wäre für die
Euro-Gemeinschaft wahrscheinlich wesentlich teurer und
unberechenbarer als das jetzige Gebilde. Es führt kein Weg an tiefen
strukturellen Veränderungen des Landes vorbei. Vor allem aber braucht
Griechenland nicht immer neue Spar-Diktate, sondern kräftige Signale
des Aufbruchs, es braucht Investitionen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
378127
weitere Artikel:
- WAZ: Kraftakt in Athen. Kommentar von Gerd Höhler Essen (ots) - Die Verabschiedung des Sparprogramms war für die
griechischen Politiker ein Kraftakt. Und doch ist das Votum nur ein
erster Schritt. Denn nun kommt es darauf an, die Sparbeschlüsse und
Reformen umzusetzen. Das wird nicht leicht. Zumal Griechenland vor
einem Wahlkampf steht. Im April sollen die Wähler an die Urnen gehen.
Für keine der beiden bisher dominierenden Parteien dürfte es dann
zu einer Mehrheit reichen. Das bedeutet langwierige
Koalitionsverhandlungen, die das Land über Wochen lähmen könnten und
letztlich mehr...
- WAZ: Ausgebremst. Kommentar von Christopher Onkelbach Essen (ots) - Der akademische Nachwuchs in Deutschland kommt im
europäischen Vergleich zu spät an die Hochschule und bleibt dort
meist zu lange. Dieser Befund brachte die Bildungspolitiker in
Bewegung: "Turbo-Abi" nach nur zwölf Schuljahren, anschließend an der
Hochschule in nur drei Jahren den Bachelor-Abschluss bauen - und ab
auf den Arbeitsmarkt.
Doch wozu diese Hetze, wenn der bildungshungrige Nachwuchs
zunächst im Stau steht? Wer keine Spitzennoten im Abitur hat, muss
Warteschleifen vor dem Studienstart drehen. Pflichtseminare mehr...
- WAZ: Altes Eisen, gutes Eisen. Kommentar von Ulrich Reitz Essen (ots) - Immer mehr Familienbetriebe beschäftigen immer mehr
Rentner. Das ist eine gute Nachricht. Altes Eisen, wertvolles Eisen.
Familienbetriebe sind meist gute Betriebe. Die soziale
Marktwirtschaft lebt von ihnen. Sie sind mit ihrer Balance zwischen
Risiko und persönlicher Verantwortung der Gegenentwurf zur
(Casino-) kapitalistischen Industrie. Eigentümer-Unternehmer
denken nicht an morgen, sondern an übermorgen. Darum gehen die
allermeisten verantwortungsvoll und vorausschauend mit ihrem Personal
um.
Eine mehr...
- WAZ: Bürger an die Macht? Kommentar von Walter Bau Essen (ots) - Die Duisburger setzten den stur an seinem Sessel
klebenden Rathauschef ab; in Hamburg kippten Bürger eine ungeliebte
Schulreform; die Stuttgarter brachten das umstrittene Bahnhofsprojekt
an den Rand des Scheiterns. Stehen wir vor einer neuen Art von
Bürger-Demokratie?
Klar ist: Während fast allen politischen Parteien die Mitglieder
davonlaufen, haben örtliche Initiativen für (oder gegen) konkrete
Projekte immer mehr Zulauf. Sie holen die Politik aus den
Hinterzimmern auf die Straßen und Plätze. Und das ist gut so. mehr...
- Westfalenpost: Kommentar/Mittelstand erkennt die Zeichen der Zeit/Senioren sind in Betrieben verstärkt gefragt/Von Wilfried Goebels Hagen (ots) - Der Mittelstand hat die Zeichen der Zeit erkannt und
setzt verstärkt auf Mitarbeiter mit grauen Haaren. Während in jedem
zweiten Großunternehmen aufgrund der Frühverrentungen heute kein
Arbeitnehmer älter als 50 Jahre ist, greifen vorausschauende
Familienunternehmer aufgrund des Fachkräftemangels wieder auf
erfahrene Senioren zurück. Dabei hat das Ende des "Jugendwahns" viele
Ursachen. Nicht nur die Überalterung der Gesellschaft zwingt zum
Umdenken. Auch das sinkende Rentenniveau und die Angst vor
Altersarmut treiben mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|