Westdeutsche Zeitung: Eurovision Song Contest =
von Olaf Steinacker / http://www.wz-newsline.de
Geschrieben am 15-02-2012 |
Düsseldorf (ots) - Geschätzt 100 Millionen Menschen werden sich im
Fernsehen das Finale des Eurovision Song Contest (ESC) in der
aserbaidschanischen Hauptstadt Baku anschauen. Wer dabei Deutschland
vertritt, entscheidet sich heute Abend per Zuschauervotum. Ob es bei
der großen TV-Sause im Südkaukasus aber um andere Dinge geht, außer
Geschäftemacherei und ein paar mehr oder weniger belanglose
Popliedchen, ist mehr als fraglich.
Dabei wäre die Gelegenheit günstig, ein paar unbequeme Themen
anzusprechen. Denn in Sachen Meinungs- und Pressefreiheit und
Menschenrechten sieht es in der ölreichen Republik finster aus. Die
Organisation Reporter ohne Grenzen bescheinigt dem autokratisch
regierenden Präsidenten Ilcham Alijew, ein Feind der Pressefreiheit
zu sein. Laut Amnestie International können Journalisten sich selbst
im Irak und in Afghanistan freier bewegen als in Baku.
Da stellt sich grundsätzlich die Frage, ob solch eine
prestigeträchtige Veranstaltung wie das ESC-Finale überhaupt in einem
Land ausgetragen werden darf, das sich offenkundig mit freiheitlichen
Errungenschaften mehr als schwer tut.
Die Antwort heißt ja. Wer dem Land das Finale absprechen will,
hätte es schon längst von der Teilnehmerliste streichen müssen. Und:
Wer Aserbaidschan sagt, muss auch Weißrussland, Georgien und Ukraine
sagen. Israel steht ebenfalls nicht im Verdacht, mit ethnischen oder
religiösen Minderheiten besonders pfleglich umzuspringen. Diese
Länder sind aber ESC-Dauergäste. Damit kein Missverständnis entsteht,
Menschenrechtsverletzungen woanders machen das aserbaidschanische
Verhalten keineswegs besser.
Aber die gewaltige Öffentlichkeit, die das Land durch den ESC
erfährt, ist auch eine Chance. Eine Gelegenheit, auf Missstände
hinzuweisen - in einem Land, das üblicherweise nicht im Mittelpunkt
des Medieninteresses steht. Dies setzt allerdings voraus, dass der
Norddeutsche Rundfunk, der das Spektakel für die ARD überträgt, nicht
wegschaut, falls es während der Finalwoche zu Übergriffen auf Fans
oder zu Behinderungen der Presse kommt. Der Sender hat schließlich
die Wahl, ob er die bunte PR-Operette à la Alijew bejubelt oder auch
die schiefen Töne beim Grand Prix abbilden will.
Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
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