Westdeutsche Zeitung: Merkels Niederlage und Chane
Ein Kommentar von Martin Vogler
Geschrieben am 17-02-2012 |
Düsseldorf (ots) - Nein, ein Schwerverbrecher ist Christian Wulff
sicher nicht. Auch wenn die Heftigkeit der Anschuldigungen, die
politische Gegner und einflussreiche Teile der Medien gegen ihn in
gnadenloser Penetranz erhoben, den Eindruck erwecken. Kein Bobbycar
war banal genug, als dass es nicht zum Tribunal taugte. Insofern kann
einem der Ex-Präsident leidtun.
Dennoch war der Rücktritt überfällig. Wulffs Ausharren im Amt
hatte nichts mit Entschlossenheit zu tun, sondern wirkte fatal wie
Trotz und schien allein durch die Angst vor seinem wirtschaftlichen
Absturz motiviert. So etwas ist eines Bundespräsidenten nicht würdig.
Nicht die einzelnen Vorwürfe gegen Wulff sind wirklich das
Gravierende, sondern deren unglaubliche Menge und vor allem die naive
Art und Weise, wie der Präsident solche Fehler einräumte. Auch in
seiner gestrigen Rücktrittsrede war zu spüren, dass er immer noch
nicht begriffen hat, dass Schicki-Micki-Gratis-Gehabe nicht zum
ersten Mann im Staat - und auch nicht zu dessen Gattin - passt.
Schade, dass Christian Wulff die Chance auf einen qualifizierteren
Abgang verpasst hat.
Trotzdem sollte die Öffentlichkeit ihn bald in Ruhe lassen. Die
boshafte Häme beispielsweise, die gestern in den Netzwerken des
Internets über Wulff ausgegossen wurde, ist schlicht schäbig. Man
muss ihm keine Steine mehr hinterherwerfen. Der Mann ist politisch
und möglicherweise auch gesellschaftlich und wirtschaftlich erledigt.
Wulff war offensichtlich zu unreif für das Amt. Für diese
Fehlbesetzung ist vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel
verantwortlich, die jetzt schon den zweiten Rücktritt eines
Präsidenten erleben muss. Sie wäre gut beraten, ihre Ankündigung,
jetzt gemeinsam mit allen wirklich demokratischen Parteien im
Bundestag eine Lösung zu suchen, ernst zu meinen.
Falls das gelingt, könnte die Kanzlerin ihr Wulff-Desaster sogar
noch zu einem für sich und das Land positiven Ende bringen. Der neue
Bundespräsident muss allerdings eine wirklich souveräne
Persönlichkeit mit festem Charakter sein. Denn wenn der formal erste
Mann im Staat stets um das Wohlwollen einer im Tagesgeschäft
stehenden Politikerin buhlen muss, kann das niemals gutgehen.
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Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
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