Frankfurter Neue Presse: Griechenland:
"Wer zieht den Stecker?"
Leitartikel von Panagiotis Koutoumanos
Geschrieben am 21-02-2012 |
Frankfurt am Main (ots) - Wieder einmal ist der griechische
Patient im letzten Moment vor dem unmittelbaren Kollaps bewahrt
worden. Und wie schon bei der vergangenen Notoperation haben die
Retter erst damit drohen müssen, den Stecker ihrer lebenserhaltenden
Maschinen aus der Wand zu ziehen, bevor der schwierige Patient sich
bereit erklärt hat, die ebenso teure wie bittere Medizin zu
schlucken: So hat sich der kranke Mann von der Ägäis dieses Mal zu
einer noch rigoroseren Rosskur an Leib und Gliedern verpflichtet, um
die lebensrettende Finanzspritze zu bekommen. Aber um sicher zu
gehen, dass der Patient seine Zusagen zur Einhaltung der ihm
verordneten Kur auch einhält, haben ihn seine Retter dieses Mal auch
noch in eine Zwangsjacke gesteckt.
Ist die Erholung des griechischen Patienten damit nun endlich
vorgezeichnet? Diese Frage kann leider nicht bejaht werden. Zunächst
hat die Troika nur weitere Zeit für ihn erkauft. Die Hürden auf dem
langen Weg zur Gesundung sind hoch und sowohl politischer als auch
ökonomischer Natur. Vorausgesetzt, dass der Schuldenschnitt gelingt
und der IWF sein Scherflein beisteuert, wird viel davon abhängen, ob
es den beiden bürgerlichen Regierungsparteien, die nun offenbar doch
das Wohl des Landes über ihr eigenes gestellt haben, gelingt, das
Gros der griechischen Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen. Es muss
davon überzeugt werden, dass die Reformen notwendig und alternativlos
sind, wenn das Land nicht im Chaos versinken soll. In den derzeitigen
Umfragen kommt das bürgerliche Lager nicht auf eine Mehrheit, haben
die linksextremen Parteien kräftig hinzugewonnen. Allerdings ist
anzunehmen, dass diese an Zulauf verlieren werden, wenn die zuvor
regierende sozialistische Pasok erst einmal einen neuen Parteichef
gewählt hat. Können Pasok und die konservative Nea Demokratia nach
den für Ende April/Anfang Mai anstehenden Wahlen das Land weiter
regieren, wäre damit zumindest die Grundlage für die Durchsetzung der
notwendigen Struktur- und Verwaltungsreformen gelegt. Die müssen dann
aber auch ohne Rücksicht auf Partikularinteressen durchgepeitscht
werden.
Hat es Griechenland selbst in der Hand, die politischen und
strukturellen Voraussetzungen für seine Gesundung schaffen, sind die
wirtschaftlichen Bedingungen natürlich ungleich schwerer zu
beeinflussen. Die lahmende Konjunktur in der Eurozone erschwert dem
Mittelmeerland die Reduzierung von Defizit und Schulden ebenso sehr
wie die bislang übermäßige Konzentration der von der Troika
oktroyierten Programme auf Steuer-Erhöhungen und Einsparungen. Das
neue Hilfsprogramm setzt hier zumindest neue Akzente; weitere
Aufbauprogramme müssen folgen. Ob und wann die Wirtschaft endlich
wieder wächst, ist nicht seriös vorauszusagen. Aber ohne Wachstum
wird der Schuldenberg trotz der nun vernünftigerweise gesenkten
Zinsen weiterhin stärker steigen, als die Troika ihn abtragen kann.
Dann dürfte sowohl die Geduld der griechischen Bevölkerung wie auch
der Geberländer bald aufgebraucht sein.
Noch schlagen zwei Herzen in Europas Brust: Das eine, das
inzwischen von großem Misstrauen gegenüber dem scheinbar
unberechenbaren Schuldensünder erfüllt ist und diesen am liebsten
sich selbst überlassen würde; und das andere, das noch Hoffnung fühlt
für den siechenden Patienten. Eine Hoffnung, die allerdings auch
motiviert ist von der Furcht, dass sich zunächst andere geschwächte
Euro-Staaten und anschließend auch noch die Retter selbst anstecken
und erkranken könnten, falls Griechenland keine weitere Hilfe erhält.
Diese Furcht lässt allerdings nach. Denn bis zum Sommer wird sich das
Gros der Banken seiner griechischen Schuldscheine entledigt haben,
dürfte der Euro-Rettungsschirm deutlich größer sein. Zeigt
Griechenland dieses Jahr keine Fortschritte, wird die Forderung, das
Land bankrott gehen zu lassen, lauter werden. Und wenn sich Berlin
dann immer noch scheut, selbst den Stecker zu ziehen, wird der
Patient wohl dazu gebracht werden, das selbst zu tun.
Pressekontakt:
Frankfurter Neue Presse
Chef vom Dienst
Peter Schmitt
Telefon: 069-7501 4407
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