Westdeutsche Zeitung: "Pina" ist zu schön für den Oscar
Ein Kommentar von Anne Grages
Geschrieben am 27-02-2012 |
Düsseldorf (ots) - Sagen wir es so: "Pina" ist einfach zu schön
für den Oscar. Schließlich hat der Filmemacher Wim Wenders nicht nur
als erster die Möglichkeiten von 3D für das Genre der Dokumentation
ausgelotet. Er hat diese Technik auch noch mit so zarter Hand an die
Arbeitsweise des Wuppertaler Tanztheaters und seiner 2009
verstorbenen Choreographin Pina Bausch angepasst, dass dieser Film
einen beglückt und heiter zurücklässt.
Seit seinem Start vor ziemlich genau einem Jahr hat sich der
Wenders-Film schon durch überraschend hohe Zuschauerzahlen und eine
Menge Preise zum Erfolgsmärchen entwickelt. Doch für die Academy of
Motion Picture Arts and Sciences (Ampas) ist diese filigrane Kunst
wohl der falsche Ansatz. Denn dort haben ältere Männer das Sagen: 77
Prozent der Mitglieder sind männlich, das Durchschnittsalter beträgt
laut der "Los Angeles Times" 62 Jahre.
Da halten sich die Herren eben an das, was sie kennen: Sie
zeichneten die ur-amerikanische Dokumentation "Undefeated" aus, die
sich den Problemen eines Football-Teams an einer High School in
Memphis widmet.
Generell litt die Oscar-Verleihung 2012 an einem
Überraschungs-Mangel. Dass Meryl Streep bei ihrer 17. Nominierung den
dritten Oscar bekam, ist schön, aber nicht erstaunlich. Ansonsten
fertigten die Academy-Mitglieder die meisten Film-Kandidaten wie etwa
"Hugo Cabret" mit Trostpreisen ab. Mit allen wichtigen Preisen
überhäuft wurde hingegen der Stummfilm "The Artist", eine Hommage an
das alte Hollywood.
Diese Massivität verblüfft, doch sie entspringt offenbar der
Sehnsucht der Filmleute nach der guten, alten und vor allem
erfolgreichen Zelluloid-Zeit. Denn als hätten sie den großen Gewinner
geahnt, verpassten die Veranstalter der Gala eine
Rundum-Retro-Anmutung. Einspieler und Dekorationen waren schwer auf
Nostalgie getrimmt. In Mini-Filmchen ließen sich Kinoschaffende ein
ums andere Mal darüber aus, was ihnen persönlich Filme bedeuten. Das
hatte ermüdenden Beschwörungscharakter, zeugt aber nicht vom
Selbstbewusstsein der Branche. Bill Crystal war zwar auch bei seiner
neunten Moderation für kleine Gehässigkeiten gut, doch das vermochte
den Glamour-Faktor nicht entscheidend zu steigern.
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