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BERLINER MORGENPOST: Das Versagen der Schleckers - Leitartikel von Hagen Seidel

Geschrieben am 29-02-2012

Berlin (ots) - Schlecker steht nun ein brutaler Kahlschlag bevor.
Fast die Hälfte der Arbeitsplätze und Filialen der insolventen
Drogeriemarktkette in Deutschland sollen verschwinden, damit
wenigstens der Rest überleben kann. In Berlin zittern rund 1000
Mitarbeiterinnen. Ihnen wie allen anderen ist bewusst: Der Schnitt
fällt deutlich tiefer aus, als Gründer-Tochter Meike Schlecker und
Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz vor gerade mal einem Monat noch
erhofft hatten. Doch die schonungslose Analyse des Unternehmens und
seiner Zukunftschancen hatte Befürchtungen bestätigt: Um die
Drogeriemarktkette steht es noch viel schlimmer, als die
Gründerfamilie bereit war zuzugeben. Dass diese Inventur erst möglich
wurde, nachdem sich Anton Schlecker durch den Insolvenzantrag
sozusagen selbst aus dem Geschäft genommen hatte, macht das
Hauptproblem überdeutlich: Das war seit Jahren ihr Gründer. Der
Insolvenzverwalter sagte in erfreulicher Klarheit, dass der wenig
transparent arbeitende Patriarch Anton Schlecker schon seit 2003 oder
2004 schwere unternehmerische Fehler begangenen habe, die letztlich
zum jetzt anstehenden Kahlschlag geführt hätten. Von dieser
Schuldzuweisung indes können sich die fast 12 000 Mitarbeiter, die
schon in den nächsten Wochen ihre Jobs verlieren, nichts kaufen. Aber
es steht dem Insolvenzverwalter durchaus zu, deutlich darauf
hinzuweisen, dass nicht er ihr Problem ist, sondern Anton Schlecker.
Wie so oft bei Insolvenzen muss jetzt der Verwalter die unangenehme
Anpassungsarbeit tun, die der Eigentümer bisher unterließen. Geiwitz
handelt richtig, so wie er handelt, auch wenn es wehtut. Denn in
vielen ähnlichen Sanierungsfällen im Handel - ob in der Insolvenz
oder noch vorher - hat sich gezeigt, dass man mit Rücksichtnahme auf
Dauer nicht weiterkommt und ein Unternehmen nicht nachhaltig auf die
Füße stellen kann. Hätte etwa Karstadt im Jahr 2005 die Möglichkeit
genutzt, noch mehr seiner Warenhäuser abzugeben, wären die Probleme
vier Jahre später mutmaßlich nicht so dramatisch geworden. Ob eine
Filialzahl von 3000 plus x der Drogeriekette Schlecker auf Dauer
tatsächlich das Überleben sichern wird, weiß heute dennoch kein
Mensch. Zu hart ist die Konkurrenz. Unternehmen wie dm und Rossmann
genießen ein weit höheres Renommee als die Pleite-Kette. Diese
Unternehmen wachsen. Das badische Unternehmen dm beispielsweise
expandiert seit Jahren in Berlin. Jeder, der eine dm- oder
Rossmann-Fililale betreten hat, weiß auch ohne Management-Ausbildung,
dass Schlecker-Märkte unzeitgemäß sind. Der tiefe Schnitt bei
Schlecker erhöht die Chance deutlich, dass der Einstieg für
zahlungskräftige Investoren lukrativer erscheint. Gleichzeitig ist es
aber auch die letzte Chance. Es liegt dann in der Verantwortung der
Gläubiger, diejenigen Geldgeber auszuwählen, die nicht auf den
schnellen Euro, sondern auf ein dauerhaftes Wachstum aus sind. Und
das bringt dann wieder Arbeitsplätze - wenn das Konzept funktioniert.
Ob die Familie Schlecker beim Neustart noch wesentlich beteiligt sein
wird, spielt in jedem Fall nur noch eine untergeordnete Rolle.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Chef vom Dienst

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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