Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Piratenpartei sieht sich auf einer Welle des Erfolgs
Die Hemdsärmeligkeit kehrt zurück
MATTHIAS BUNGEROTH
Geschrieben am 26-03-2012 |
Bielefeld (ots) - Es war so etwas wie eine parlamentarische
Revolution, als die Grünen am 6. März 1983 erstmals in den Deutschen
Bundestag einzogen. Pullover statt Krawatten bestimmten die Szenerie
unter den Abgeordneten, auf deren Pulten Blumen in Vasen standen. Auf
Parteitagen fielen Delegierte nicht selten durch die Beschäftigung
mit Strickstrümpfen auf. Mit der kleinen Piratenpartei ist die
Hemdsärmeligkeit in die deutsche Politik zurückgekehrt. Parteichef
Sebastian Nerz setzt vor den Augen der Journalisten seinen
Fahrradhelm ab, bevor er ihnen Rede und Antwort zum jüngsten Coup
steht. Politik zum Anfassen und mit absoluter Transparenz, das ist
das Credo, mit dem die Piraten die Parteienlandschaft aufmischen. Die
Strickstrümpfe von einst sind den Laptops von heute gewichen.
Vernetzt zu sein ist wichtig bei den Piraten. So ist es der Partei
ersten Analysen zufolge gelungen, auch junge Menschen zu den
Wahlurnen zu bringen, die sich zuvor von der Parteiendemokratie
verabschiedet hatten und einfach kein Kreuzchen auf dem Wahlzettel
mehr machen wollten. Ein positives Verdienst der Piraten. Ob den
Überraschungserfolgen der Gegenwart Nachhaltigkeit in der Zukunft
beschieden sein wird, bleibt abzuwarten. Die irritierten Reaktionen
der Platzhirsche in den Parlamenten zeigen jedenfalls, dass der
Warnschuss nötig ist. Bürgernähe ist eine wichtige Leitlinie der
politischen Arbeit, die lange viel zu sehr in den Hintergrund
gedrängt wurde. Und: Den Grünen hat es nicht geschadet, dass auch sie
anfangs mit nur einem Thema, der Ökologie, unterwegs waren. Doch nach
den Feiern wird der Alltag auch für die Piraten hart werden.
Kostprobe: Im Berliner Kulturausschuss forderten sie die Streichung
der Subventionen von 39 Millionen Euro und damit die Schließung der
Deutschen Oper in der Hauptstadt. Irren ist menschlich.
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Neue Westfälische
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