Westdeutsche Zeitung: Die Gefahr hinter den Haftbefehlen gegen NRW-Steuerbeamte =
Von Horst Kuhnes
Geschrieben am 03-04-2012 |
Düsseldorf (ots) - Glaubt man den Äußerungen mancher deutscher
Wahlkämpfer, ist unser Nachbarland Schweiz keine Demokratie, sondern
fast schon eine Bananenrepublik - zumindest, was das eidgenössische
Rechtssystem betrifft: Hat sich die alpenländische Justiz doch
erdreistet, aus politischen Motiven gegen drei verdiente deutsche
Steuerbeamte Haftbefehle zu erlassen, weil diese deutschen
Schwarzgeld-Sündern hinterhergespürt haben. Das aber ist nur die
empörungsträchtige Stammtisch-Sichtweise. Bei näherem Hinsehen stellt
sich der Sachverhalt nämlich anders dar: Die Aktion der Schweizer
Ermittlungsbehörden entspringt gerade keiner politisch motivierten
Willkür, sondern ist im Gegenteil ein Beweis für die
Rechtsstaatlichkeit der Schweiz. Denn dort, wie in Deutschland auch,
gibt es das sogenannte Legalitätsprinzip - eine der Grundfesten des
Rechtsstaates. Es besagt im Kern, dass Staatsanwaltschaft und Polizei
ein Ermittlungsverfahren eröffnen müssen, wenn sie Kenntnis von einer
möglichen Straftat erhalten. Falls sich dabei der Verdacht erhärtet,
muss vor Gericht Anklage erhoben werden. Nun hat es einen Diebstahl
von Bankdaten beim Bankhaus Credit Suisse (CS) gegeben - eben jener
Daten, die dann für rund 2,5 Millionen Euro von NRW angekauft wurden.
EinTäter wurde verurteilt. Für die Schweizer Behörden besteht "der
Verdacht, dass von Deutschland aus konkrete Aufträge zum
Ausspionieren von Informationen der CS erteilt wurden". Dies wäre
nach Schweizer Recht der Straftatbestand Wirtschaftlicher
Nachrichtendienst (Artikel 273). Diesen Verdacht zu klären, sind die
Schweizer Ermittler nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet - und
haben vor Wochen ein Rechtshilfeersuchen gestellt. Die Haftbefehle
gegen die drei Steuerfahnder wurden erst erlassen, als die
NRW-Behörden keinerlei Neigung zeigten, dem Schweizer Ersuchen
entgegenzukommen. Doch auch das deutsche Verhalten ist verständlich:
Das Land muss sich vor seine Beamten stellen. Denn die haben auf
jeden Fall weisungsgebunden gehandelt. Doch sollte dieses Handeln
tatsächlich strafrechtlich relevant gewesen sein, müssten nach dem
Legalitätsprinzip auch deutsche Ermittler tätig werden - bei
denjenigen, die die Anweisungen an die Steuerbeamten gaben.
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