DER STANDARD-Kommentar: "Fast eine Selbstkritik des Papstes" von
Alexandra Föderl-Schmid
Geschrieben am 06-04-2012 |
"Mehr Rücken- als Gegenwind für Reformbemühungen in der
katholischen Kirche"; Ausgabe vom 07.04.2012
Wien (ots) - Die reformorientierte Pfarrerinitiative rund um
Helmut Schüller hat viel erreicht. Dass Papst Benedikt XVI. auf ihre
Forderungen in der Chrisammesse vor 3000 Priestern eingegangen ist,
wertet die Reformkräfte auf und zeigt: Sie werden ernst genommen.
Auch wenn er "von einer Gruppe von Priestern in einem europäischen
Land" gesprochen hat, war klar, wer gemeint ist.
Benedikt XVI. billigt den Initiatoren sogar zu, dass es ihnen um die
Zukunft der Kirche geht. "Wir wollen den Autoren dieses Appells
glauben, dass sie von Sorgsamkeit für die Kirche bewogen sind, dass
sie überzeugt sind, die Trägheit der Institutionen mit drastischen
Mitteln in Angriff zu nehmen, um neue Wege zu öffnen, die Kirche
wieder auf die Höhe des Heute zu bringen." Trägheit der Institution
und nicht auf der Höhe der Zeit - das klingt schon fast nach
Selbstkritik.
Aber in der Sache selbst bleibt dieser Papst unnachgiebig und
verweist etwa in der Frage der Frauenordination auf seinen Vorgänger:
Im Apostolischen Schreiben Ordinatio Sacerdotalis vom 22. Mai 1994
hat Johannes Paul II. "in unwiderruflicher Weise erklärt, dass die
Kirche dazu keine Vollmacht vom Herrn erhalten hat", betont Benedikt
XVI. Das sehen viele Theologen und vor allem Theologinnen anders: Die
Bibel ist in einer bestimmten Zeit von Menschen geschrieben worden,
die im Horizont ihrer Zeit gedacht und geglaubt haben.
Laut Dekret des Ersten Vatikanischen Konzils von 1870 besitzt der
Papst "die ganze Fülle der höchsten Gewalt über die gesamten und
einzelnen Kirchen wie über die gesamten und einzelnen Hirten und
Gläubigen". Seither sind Päpste Alleinherrscher und verlangen
unbedingten Gehorsam. Ein Aufruf zum Ungehorsam fordert folglich
Widerspruch heraus.
Reformkräften in der Kirche bleibt nichts anderes übrig, wollen sie
die bisher geübte Praxis - Kirchenrecht ist das eine, die Realität
das andere - nicht länger dulden. Denn etwa die Frage, was tun mit
wiederverheirateten Geschiedenen, die zur Kommunion gehen wollen,
müssen Pfarrer vor Ort beantworten. In Einzelfällen handelt die
Amtskirche auch anders - wie jüngst beim homosexuellen
Pfarr_gemeinderat von Stützenhofen. Was aber ist, wenn Christoph
Kardinal Schönborn nach einem persönlichen Gespräch nicht beeindruckt
ist?
Die Amtskirche hat sich von den Menschen wegbewegt, wie auch die
Standard-Umfrage in dieser Ausgabe zeigt. Sie muss auf
Lebenswirklichkeiten eingehen, will sie (noch) ernst genommen werden.
Dazu gehört offener Diskurs über Fragen wie Zölibat,
Empfängnisverhütung oder Abendmahl mit Protestanten. Nicht jeder kann
das tun, was Benediktinermönch David Steindl-Rast in seinem Buch
Credo jenen rät, denen es "zu eng geworden" ist: "Innerlich aus der
Kirche austreten, ohne die Kirche zu verlassen."
Die österreichische Pfarrerinitiative ist nicht allein, ihre Ziele
werden von vielen Katholiken mitgetragen. Vergangenes Frühjahr haben
240 katholische Theologieprofessoren aus Deutschland, Österreich und
der Schweiz tiefgreifende Kirchenreformen inklusive Frauenweihe
verlangt.
Von der Umsetzung konkreter Reformschritte wird abhängen, ob die
katholische Kirche überlebt oder eine Marginalisierung erlebt. "Roma
locuta causa finita": Dieser Spruch des Kirchenlehrers Augustinus
("Rom hat gesprochen, die Sache ist erledigt") gilt längst nicht
mehr.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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