DER STANDARD-Kommentar "Österreich im Rückwärtsgang" von András
Szigetvari
Geschrieben am 13-04-2012 |
"Abkommen mit der Schweiz zementiert Wiens Blockadehaltung in
Steuerfragen" - Ausgabe 14.4.2012
wien (ots) - Österreich erschwert seit Jahren den Kampf gegen
Steuerhinterziehung, indem es auf den Resten seines Bankgeheimnisses
beharrt. Das Recht der Kunden auf Anonymität soll durch den
Steuerdeal mit der Schweiz noch tiefer einzementiert werden. Ob diese
Strategie richtig ist und wem sie überhaupt nützt - diese Frage wird
in Österreichs Innenpolitik kaum thematisiert.
Das ÖVP-geführte Finanzministerium ist seit Jahren damit beschäftigt,
den in der EU geltenden automatischen Austausch von Informationen
über Zinseinkünfte zu blockieren. 25 Länder melden einander
Zinserträge von EU-Ausländern. Dieses System der 2005 eingeführten
EU-Zinsrichtlinie steckt zwar noch in den Kinderschuhen und ist
verbesserungswürdig - trotzdem erleichtert die Datenweitergabe den
Kampf gegen Steuerbetrug. So erfahren zum Beispiel die Behörden in
Berlin, welcher Deutsche in Großbritannien ein Konto eröffnet hat.
Österreich und Luxemburg verweigern sich diesem Prinzip standhaft -
mit Verweis auf das heilige Bankgeheimnis.
Der Deal mit der Schweiz unterstreicht diese Verhaltensauffälligkeit.
Steuerflüchtlingen wird für die Zukunft Anonymität versprochen, die
EU-Systematik wird durchbrochen.
Aber nicht an diesem Kernpunkt, sondern an Nebenschauplätzen
entzünden sich die Debatten über den Steuerdeal. FPÖ, BZÖ, Grüne und
Arbeiterkammer attackieren Finanzministerin Maria Fekter, weil sie
angeblich Steuerflüchtlinge zu billig davonkommen lässt. Dabei muss
jede Amnestieregelung mit finanziellen Anreizen arbeiten, um
angenommen zu werden. Das Finanzministerium sichert sich den Zugriff
auf Gelder, die sonst vielleicht für immer unversteuert geblieben
wären. Außerdem gab es aus der Logik des Finanzministeriums heraus
keinen Grund, nicht zuzuschlagen, haben doch Deutsche und Briten auch
ihren Steuer-deal mit den Schweizern.
Ob es auf lange Sicht sinnvoll ist, wenn Österreich im Lager jener
Länder bleibt, die die Steuerkooperation blockieren, muss hinterfragt
werden. _Eher nicht: Das EU-Modell zur Weitergabe von
Kontoinformationen ist die weltweit effektivste Waffe im Kampf gegen
Steuerbetrug.
Dass die Reste des Bankgeheimnisses nicht abgeschafft wurden, hat
zwei Gründe: Geldhäuser fürchten, Kunden zu verlieren, und viele
Menschen hängen am Mythos Bankgeheimnis. Dabei hat der
Durchschnittsbürger absolut keinen Vorteil vom Bankgeheimnis - die
Nachteile aber trägt er, wenn andere Steuern hinterziehen. Das
Risiko, dass Banken potente und auf Verschwiegenheit bedachte Kunden
an Singapur oder die Caymans verlieren, mag vorhanden sein - könnte
aber auch als Investition in die Sauberkeit verbucht werden.
Die Bankenpartei ÖVP sieht das anders und verteidigt das
Bankgeheimnis in Brüssel. Immerhin ist sie dabei geradlinig. Die SPÖ
dagegen fährt einen Zickzackkurs und agiert moralisch doppelbödig:
Sie will Vermögende abkassieren, wettert los, wenn Ex-Finanzminister
Karl-Heinz Grasser wegen Steuerhinterziehung (auf Zinszahlungen)
Selbstanzeige erstattet, trägt aber das System mit. "Man kann nicht
auf andere Länder warten, die nicht bereit sind, nach vorn zu gehen",
begründete Hannes Swoboda, Chef der Sozialdemokraten im
Europaparlament, seine Zustimmung zum Schweiz-Deal. Er irrt.
Österreich ist nicht nach vorn unterwegs, sondern legt gerade den
Rückwärtsgang ein.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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