BERLINER MORGENPOST: Prohibition in Zügen ist keine Lösung / Leitartikel von Nikolaus Doll
Geschrieben am 03-05-2012 |
Berlin (ots) - Stellen Sie sich vor, Sie sind auf dem Heimweg, von
einem Spiel der Hertha, vom Baumblütenfest in Werder oder einfach
nach einem harten Arbeitstag. Nun wollen Sie sich auf der Fahrt nach
Hause ein Bier gönnen, und darum nehmen Sie die S- oder Regionalbahn.
Eigentlich eine gute, eine vernünftige Idee - allerdings nicht in den
Augen derer, die derzeit generelles Alkoholverbot im öffentlichen
Nahverkehr fordern. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) gehört dazu
oder der Chef des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB),
Hans-Werner Franz. Sie wollen jede Form des Alkoholgenusses in Bussen
und Bahnen auf den Index setzen. Die Argumente, die VBB und
Gewerkschaft dafür vorbringen, klingen zunächst gar nicht so
verkehrt. Niemand mag verschmutzte und demolierte Züge. Niemand kann
es hinnehmen wollen, dass betrunkene Fahrgäste unbeteiligte
Passagiere, das Bahnpersonal oder sogar Polizeibeamte beschimpfen,
attackieren oder verletzen. Aber jeglichen Alkoholkonsum zu
untersagen, löst die Probleme in den Bahnen und auf den Bahnhöfen
nicht, ein weiteres Verbot lenkt nur ab von jenen Maßnahmen, die
wirklich nötig wären. Vom Aufwand, die neue Prohibition
durchzusetzen, erst gar nicht zu reden. Ohne Frage sind die Zustände
im öffentlichen Nahverkehr oft genug untragbar. Wer gerade an den
Wochenenden nachts mit der Berliner S- oder U-Bahn fährt, muss - bei
aller Liebe zu diesem großartigen Verkehrsmittel - zu den ganz
Hartgesottenen gehören. Nicht jeder hat Spaß daran, wenn Waggons zu
rollenden Kneipen und Discos mutieren, mit all den unangenehmen
Nebenerscheinungen für jene, die nüchtern sind. Da liegt die
Versuchung nahe, dem trinkenden Partyvolk den Alkohol zu verbieten.
Der Punkt ist nur: Die meisten dieser Fahrgäste kommen schon stark
angetrunken in die Züge. Die Deutsche Bahn liegt also gar nicht so
falsch, wenn sie sich gegen ein neues, generelles Alkoholverbot in
ihren Zügen wehrt. Schließlich hat sie schon jetzt, wie nahezu alle
Verkehrsverbünde, das Recht, auf ihre Beförderungsbestimmungen zu
verweisen und jeden, der sich nicht daran hält, von der "Weiterfahrt
auszuschließen", wie es im Behördendeutsch heißt. Wirft man einen
Blick in diese Vorschriften, ist beispielsweise im Bereich des
Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) sogar der Genuss eines
Käsebrötchens verboten - theoretisch. Wer die Züge in der Region
nutzt, weiß, dass das keinen kümmert. Neue Gesetze sind also nicht
immer die Lösung, häufig reicht es, auf Einhaltung der vorhandenen
Regeln zu bestehen - konsequent. Stellt sich die Frage, warum
beispielsweise der Verkehrsverbund auf neue Regelungen dringt. Die
Antwort ist einfach: Gibt es ein Antialkoholgesetz, kann man im Fall
eines Verstoßes die Polizei holen. Bislang müssten die Zugbegleiter
eingreifen, wozu diese wenig Lust haben. Nur: Ist es wirklich
realistisch, dass die ohnehin chronisch überforderte Polizei die
Kraft hat, auszurücken, um einen Fahrgast aus dem Zug zu holen? Eher
nicht. Die Idee eines generellen Alkoholverbotes zeigt Widersprüche
in der Theorie, in der Praxis ist sie gänzlich untauglich.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
393346
weitere Artikel:
- Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Hüft- und Knieoperationen
Qualität statt Rationierung
PETER STUCKHARD Bielefeld (ots) - Beim Einsatz künstlicher Hüft- und Kniegelenke
ist die deutsche Medizin führend. Niemand muss sich hier mit
wachsendem Lebensalter und Verschleiß mit immer schlimmeren
Gelenkschmerzen herumquälen. Medizintechnik und ärztliche Kunst
halten alte Menschen mobil. Das ist gut so, und niemand will daran
etwas ändern. Auch nicht Daniel Bahr. Die Frage ist aber - und deren
eher technokratische als politische Beantwortung hat der
Gesundheitsminister wohl im Sinn -, ob der Einsatz der Prothese, ob
dieser letzte Schritt der mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
NRW verbietet erneut einen Rockerclub
Höllenengel
HUBERTUS GÄRTNER Bielefeld (ots) - Sie fahren schwere Motorräder, tragen
Lederkutten, wilde Bärte und furchterregende Tattoos: Rocker sind
harte Jungs. In letzter Zeit müssen sie selbst schwere Schläge
einstecken. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat der von ihnen
ausgehenden Kriminalität den Kampf angesagt. Nachdem in der
vergangenen Woche bereits eine Abteilung der "Bandidos" in Aachen
ausgehoben worden war, traf es gestern die konkurrierenden "Hells
Angels". Ihr Charter in Köln wurde verboten. Weil gerade Wahlkampf in
NRW ist, könnte man darüber mehr...
- Rheinische Post: Krise der Rheinoper
Kommentar Von Wolfram Goertz Düsseldorf (ots) - Zugereiste können derzeit den Eindruck
gewinnen, den Rheinländern sei die Lust auf Oper vergangen. In Bonn
überlegt der OB gern, das Opernhaus zu schließen. In Köln steht
Intendant Laufenberg vor dem Rausschmiss, weil er den Politikern
groteske Unterfinanzierung seines Hauses vorwirft. In Duisburg fehlt
es nicht am guten Willen, aber dramatisch am Geld. Dort überlegt man
den Gang zum Scheidungsanwalt. Bleibt Opern-Ehepartner Düsseldorf
allein übrig - und geht ebenfalls vor die Hunde? In diesen
Situationen gedeihen mehr...
- Rheinische Post: Die Spar-Lufthansa
Kommentar Von Thomas Reisener Düsseldorf (ots) - Es gibt nicht viel, um das Lufthansa-Chef
Christoph Franz seinen Rivalen Hartmut Mehdorn bei Air Berlin
beneidet. Vielleicht die Flottenpolitik: Wenn Air Berlin ein neues
Flugzeug braucht, darf Mehdorn in aller Regel einfach eins leasen.
Bei dieser Form des Mietkaufs ist das Flugzeug sofort da, muss aber
erst viel später bezahlt werden. Die konservative Lufthansa hingegen
legt großen Wert darauf, dass der größte Teil ihrer Flotte stets im
Eigenbesitz ist. Franz hat aktuell nur knapp 17 Prozent seiner
Flieger geleast, mehr...
- Rheinische Post: Es fehlt an
gezielter Vorsorge
Kommentar Von Eva Quadbeck Düsseldorf (ots) - Die Bundesregierung hat sich bei der
Gesundheitsvorsorge ehrgeizige Ziele gesetzt. Wenn in den nächsten
Jahren die Quote der Herzinfarkte und der Neuerkrankungen an
Wohlstands-Diabetes tatsächlich um jeweils zehn Prozent sinken soll,
müssen die Bürger schon mitziehen. Per Gesetz kann man
gesundheitsbewusstes Leben jedenfalls nicht verordnen. Die Yogakurse
und Fitness-Programme, die Krankenkassen heute schon finanzieren,
werden oft von einer Klientel wahrgenommen, die ohnehin
gesundheitsbewusst lebt. Sie sind fragwürdig. mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|