Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Frankreich/Wahl von Stefan Stark
Geschrieben am 06-05-2012 |
Regensburg (ots) - Adieu Nicolas Sarkozy - auf Wiedersehen,
Merkozy: Die Franzosen stimmten gestern mit ihren Wahlkreuzchen
gleich zweimal ab: Sie haben nämlich nicht nur ihren Präsidenten
abgewählt, sondern auch dem Euro-Rettungstandem zwischen Paris und
Berlin die rote Karte gezeigt - möglicherweise mit spürbaren Folgen
für das künftige Krisenmanagement von Angela Merkel. Es war zwar
damit zu rechnen, dass unsere Nachbarn ihren Präsidenten aus dem
Élysée-Palast vertreiben würden. Bemerkenswert ist aber der
eindrucksvolle Vorsprung von François Hollande. Der Erdrutschsieg des
Herausforderers vor dem Amtsinhaber bedeutet ein klares
Misstrauensvotum für Sarkozy. Von der einstigen Hassliebe, die viele
Franzosen einst für ihn empfanden, ist nur noch die Abneigung
geblieben. Seine Versuche, im Wahlkampfendspurt am rechten Rand auf
Stimmenfang zu gehen, sind gescheitert. Und zwar nicht nur, weil ihm
die Rechtsextreme Marine Le Pen und der Zentrumspolitiker François
Bayrou die Unterstützung verweigerten. Sondern auch, weil sich viele
Franzosen vom Populismus ihres Präsidenten angewidert abwendeten.
Sarkozy ist das bislang prominenteste Opfer der Eurokrise. Dahinter
steckt eine bittere Ironie. Denn heute kann man die berechtigte Frage
stellen, ob es ohne das deutsch-französische Tandem überhaupt zu
einem Euro-Krisenmanagement gekommen wäre. Und ob es die
Gemeinschaftswährung überhaupt noch gäbe, hätte sich das eigentlich
so ungleiche Paar nicht so perfekt ergänzt: Er der Hyperaktive, der
bei Krisen zur Höchstform aufläuft - sie, die Abwartende, die seinen
Übereifer bremste. Einst stürzte Sarkozy gemeinsam mit Merkel
europäische Regierungen, die sich dem deutsch-französischen
Spardiktat nicht beugten. Jetzt ist er selbst gefallen - verheddert
im Netz der Rettungsschirme und der Malaise in seinem Land. Denn
seine Präsidentschaft geriet schnell in den Strudel der Banken- und
dann der Schuldenkrise. Frankreich wurde davon hart getroffen - auch,
weil es dort nie so etwas wie eine Agenda 2010 gab. Wie wenig die
Franzosen von Sozialreformen halten, zeigten sie zuletzt, als sie
gegen die Heraufsetzung des Rentenalters von 60 (!) auf 62 Jahre
protestierten. Die Grande Nation wird geplagt von hoher
Arbeitslosigkeit, wachsender Verelendung in den Vorstädten, einer
Jugend, die sich um ihre Zukunft betrogen fühlt. Demgegenüber stehen
horrende Staatsausgaben, von denen weder die kleinen Leute noch die
Mittelschicht profitieren. Viel Geld versickert in wirtschaftlichem
Protektionismus und im Versuch, all den alten imperialen Pomp zu
erhalten. Daher wurde der Wahlkampf auch von einer
Gerechtigkeitsdebatte bestimmt, bei der sich Sarkozy und Hollande mit
Reformvorschlägen überboten. Hier sammelte der Herausforderer Punkte.
Ihm, dem Sozialisten, glaubten die Bürger mehr als dem Präsidenten
mit seinem Image als Freund der Reichen. Also sagen wir Bonjour zu
François Hollande. Er ist mit großen Versprechen angetreten, wie
einst sein Vorgänger auch. Doch viel mehr lastet auf ihm die
Erwartung, einem Land die Hoffnung zurückzugeben, dem die Spaltung
droht. Der Erfolg des Front National setzt den neuen Präsidenten
enorm unter Druck. Er wird schnell Ergebnisse präsentieren müssen,
vor allem im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Mit einer rigiden
Sparpolitik wird er das jedoch nicht erreichen. Genau hier wird der
zentrale Konfliktpunkt mit der Kanzlerin deutlich. Einen Bruch der
deutsch-französischen Achse wird es nicht geben, weil sich beide als
Ankerländer der EU gegenseitig brauchen. Doch für Merkel wird es mit
Hollande ungleich schwerer werden, ihre Vorstellungen bei der
Euro-Rettung durchzusetzen. Die Rezepte, die in Deutschland
funktionieren, können anderswo kläglich versagen - wie die Franzosen
gerade in ihrem südlichen Nachbarland Spanien erleben. Die Kanzlerin
und der Präsident werden sich trotzdem aufs neue Tandem namens
Merkollande setzen - wo die eine strampelt und der andere bremst.
Falls sie dabei nicht vom Fleck kommen, gerät der Euro unter die
Räder und Deutschland unter noch stärkeren finanziellen Druck. Merkel
wird Sarkozy noch sehr vermissen.
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Mittelbayerische Zeitung
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