Neues Deutschland: Kommentar zur von den Grünen vorgeschlagenen "Kulturabgabe"
Geschrieben am 18-05-2012 |
Berlin (ots) - Der 98. Katholikentag in Mannheim findet in
schwierigen Zeiten statt. Die katholische Kirche ist infolge der
Missbrauchsskandale und tausendfacher Austritte in einer schweren
Krise. Mit tiefer Besorgnis wird dieser Zustand auch von einigen
Bundestags- und Landtagsabgeordneten der Grünen katholischen Glaubens
- darunter Gerhard Schick, Josef Winkler und Agnieszka Brugger -
gesehen. In einem gemeinsamen Papier fordern sie nun, dass Frauen zu
Führungspositionen zugelassen werden und wiederverheiratete
Geschiedene am Abendmahl teilnehmen dürfen. Auf den finanzpolitischen
Sprecher der Bundestagsfraktion, Schick, dürfte der Vorschlag
zurückgehen, in Deutschland eine »Kulturabgabe« nach italienischem
Vorbild einzuführen. Diese soll verhindern, dass immer mehr Menschen
die katholische Kirche verlassen, weil sie nicht mehr die
Kirchensteuer zahlen wollen. Die »Kulturabgabe« wäre von allen
Bürgern an eine gemeinnützige Institution ihrer Wahl zu entrichten,
zu denen neben Vereinen auch kirchliche Hilfswerke zählen. Für die
Katholiken würde es somit finanziell keinen Unterschied machen, ob
sie in der Kirche bleiben oder nicht. Diese Spende per Gesetz dürfte
allerdings in der Bevölkerung wenig populär und damit praktisch kaum
umsetzbar sein. Auch in der eigenen Partei machte sich bereits
Unverständnis über den Vorschlag der grünen Autoren breit. Sinnvoll
ist es zwar, über Sinn und Zweck der Kirchensteuer zu diskutieren,
aber nicht diese Steuer durch eine ähnlich geartete zu ersetzen. Aus
säkularen Kreisen wird zurecht kritisiert, dass die derzeitige
Praxis, nach der der Staat die Mitgliedsbeiträge für die Kirchen
eintreibt, mit der im Grundgesetz festgeschriebenen Trennung von
Staat und Kirche nicht zu vereinbaren ist. Die »Kulturabgabe« würde
sogar zu einer noch engeren Verzahnung zwischen der staatlichen
Steuerpolitik und der Kirchenfinanzierung führen. Denn bisher
unterliegt die Kirchensteuer der kirchlichen Verwaltung, die diese an
die Finanzbehörden überträgt und dafür eine Entschädigung für die
Verwaltungskosten an die Bundesländer entrichtet. Mit der
»Kulturabgabe« würde dagegen eine direkt vom Staat erhobene Steuer
den Kirchen zugutekommen. Außerdem zeugt es von Naivität, wenn man
glaubt, dass viele Katholiken vor allem aus finanziellen Gründen aus
der Kirche austreten. Vielmehr sind offensichtlich immer weniger
Menschen bereit, die mittelalterlich anmutenden Regelungen, wie
beispielsweise den Zölibat der Geistlichen oder die Verehrung des
Papstes als Heiligen Vater, die der Klerus in ein weitgehend
aufgeklärtes Zeitalter hinüberretten konnte, zu akzeptieren. Mit
ihrem reaktionären Oberhaupt Joseph Ratzinger, der »mehr Distanz zur
Gesellschaft« fordert, sehen zahlreiche katholische Funktionäre die
Kirche als Bollwerk eines kulturellen Konservatismus. Dagegen werden
sich die Grünen und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit
ihren zaghaften Forderungen nach Modernisierungen am Rande des
Katholikentages kaum durchsetzen können. Allein der
Kirchenrettungsplan durch eine »Kulturabgabe« könnte auch bei den
Konservativen auf größeres Interesse stoßen.
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