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Verzerrte Bilder? Muslime in der europäischen Medienlandschaft

Geschrieben am 30-05-2012

Düsseldorf (ots) - Eine Studie zur medialen Repräsentation,
Teilnahme und zum Medienkonsumverhalten der Muslime in Deutschland
und Großbritannien im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland, des
British Council und des Institute for Strategic Dialogue

Muslimische Befragte einer Medienstudie fühlen sich von
etablierten Medien nicht repräsentiert / Mehrheit sieht Muslime in
den Mainstream-Medien stereotyp dargestellt / Rund 80 Prozent der
befragten Muslime meinen, der Islam werde respektlos behandelt /
Befunde sprechen dennoch gegen parallele oder abgeschottete
Mediengesellschaft von Muslimen

Fast 90 Prozent der im Rahmen einer aktuellen Medienstudie
befragten Muslime fühlen sich von den etablierten Medien in
Deutschland und Großbritannien nicht repräsentiert. Sie beklagen eine
stereotype Darstellung der Muslime und ein respektloses mediales Bild
des Islam. Rund 60 Prozent der Befragten in Deutschland fühlen sich
durch Berichte über Islamfeindlichkeit bedroht. Dennoch ist die
Vorstellung einer "parallelen Mediengesellschaft" nicht angemessen,
um die Mediennutzung von Muslimen in Deutschland zu beschreiben.
Vielmehr erscheinen Muslime mit Migrationsgeschichte mehrheitlich als
kritische Mediennutzer, die bei Bedarf die Berichterstattung
deutschsprachiger Medien mit der von anderssprachigen Medien
vergleichen, um sich ihre eigene Meinung zu bilden. Dies sind die
zentralen Ergebnisse des Forschungsprojekts "Muslime in der
europäischen Medienlandschaft". Wissenschaftler des Instituts für
interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität
Bielefeld sowie der Keele University in Großbritannien untersuchten,
wie Muslime Medien nutzen und produzieren. Die Studie wurde von dem
Institute für Strategischen Dialog (London) koordiniert und durch die
Förderung der Vodafone Stiftung Deutschland und des British Council
ermöglicht.

Die Gesellschaften in Europa werden kulturell vielfältiger, und
die europäische Medienlandschaft verändert sich. Vor diesem
Hintergrund untersuchten deutsche und britische Wissenschaftler in
der explorativen und multimethodischen Studie, wie Medienproduktion
und Mediennutzung sowie die Beziehungen gesellschaftlicher Gruppen
zusammenhängen. Die Forscher verwendeten eine Mischung aus
qualitativen und quantitativen Methoden. Sie führten Interviews mit
deutschen und britischen Journalisten, die in Mainstream-Medien und
in Sparten-Medien arbeiten. Neben einer nicht repräsentativen
Online-Befragung in beiden Ländern wurden Fokusgruppen mit
muslimischen und nicht-muslimischen Mediennutzern gebildet.

Warum diese Studie? "Die Zahl der medialen Migrantinnen und
Migranten nimmt eher zu als ab", sagt Professor Dr. Andreas Zick vom
IKG. "Zu ihnen gehören zu einem großen Teil Menschen, deren Identität
medial muslimisch geprägt ist." Hinzu kommt, dass der Islam und sein
Integrationspotenzial medial an prominenten Stellen diskutiert werden
- ebenso wie Stereotype und Vorurteile über Muslime. "Etwa vier
Millionen Menschen in Deutschland sind muslimisch, und sie
konsumieren Medien teilweise als Muslime", so Zick. Trotzdem spiele
der Islam in den etablierten Medien eine Außenseiterrolle.

"Der besondere Erkenntniswert des Forschungsansatzes liegt aus
unserer Sicht in der vergleichenden Perspektive auf Großbritannien
und Deutschland. Durch eine Analyse des Mediennutzungsverhaltens und
der subjektiven Wahrnehmungen der medialen Inhalte wollen wir die
Diskussion über das mediale Bild des Islam weiter anregen und weithin
geteilte Positionen und Vorurteile einer kritischen Überprüfung
unterziehen", sagt Dr. Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone
Stiftung Deutschland.

Kein Befund für parallele oder abgeschottete Mediengesellschaft
von Muslimen

In dem Forschungsprojekt ging es unter anderem darum, ob sich
aktuell parallele oder getrennte Mediengesellschaften entwickeln -
und dies besonders mit Blick auf muslimische Gemeinschaften. Eine
gängige Befürchtung sei, dass Muslime sich durch die Nutzung eigener
Medien von der deutschen Gesellschaft abschotten, so Andreas Zick.
"Wir haben daher erforscht, wie sich die Mediennutzung von Muslimen
von der Nutzung von Nicht-Muslimen unterscheidet." Ein Ergebnis: Ein
Großteil der in Fokusgruppen befragten Personen muslimischen Glaubens
nutzen sowohl deutsch- als auch anderssprachige Medien. Sie
beschreiben die Nutzung von Medien aus verschiedenen Kulturen als
Bereicherung, weil sie so etwa verschiedene Sichtweisen auf ein Thema
erhalten. "Es gibt in unserer Studie damit keinen Befund für eine
parallele oder abgeschottete Mediengesellschaft von Muslimen in
Deutschland", so Zick. Auffällig sei demnach, dass eine hohe Anzahl
von Personen Spartenmedien nutzt - also Medien, die besondere
Bedürfnisse befriedigen. Dazu gehören auch Medien, die Themen
aufbereiten, die Menschen mit muslimischem Hintergrund interessieren.

Muslimische Befragte fühlen sich von etablierten Medien nicht
repräsentiert

Wie die Online-Befragung der Forscher zeigt, bleiben dennoch
Mainstream-Medien, also Sender, Zeitungen und Internetangebote, die
sich an die breite Masse wenden, für die Mehrheit der Muslime und
Nicht-Muslime in Deutschland und Großbritannien die wichtigste
Quelle, wenn es um Nachrichten geht. Das erscheint verwunderlich -
denn nur die Minderheit der muslimischen Befragten in Deutschland
(16,5%) hat den Eindruck, dass die etablierten Medien für ihre
Bedürfnisse und Interessen sorgen, in Großbritannien äußert ein fast
doppelt so hoher Anteil (28,6%) der muslimischen Befragten, dass er
sich von Mainstream-Medien vertreten fühlt. Fast keiner der
muslimischen Befragten in Deutschland fühlt sich von etablierten
Medien repräsentiert (87,6%). In Großbritannien ist es ähnlich, 85,7
Prozent der muslimischen Befragten fühlen sich in den einflussreichen
Medien nicht repräsentiert. Vielmehr haben die Mehrheiten der
muslimischen Befragten in beiden Ländern den Eindruck, dass Muslime
in den Mainstream-Medien stereotyp dargestellt werden (89,7% in
Deutschland, 95,3% in Großbritannien). Zick folgert: "Medien sind
bedrohlich für Muslime, wenn Journalisten über sie schreiben, sie
filmen oder mit ihnen reden." Die Diskussionen mit Muslimen in
Fokusgruppen haben gezeigt, dass eine kritische Auseinandersetzung
über die aus Sicht der Befragten vorliegende Islamfeindlichkeit in
den Mainstream-Medien vermisst wird. Das bestätigt auch die
Online-Erhebung. 58,7 Prozent der muslimischen Befragten in
Deutschland fühlen sich bedroht "durch Berichte über Islamophobie",
und 77,3 Prozent von ihnen meinen, die Medien behandeln den Islam
respektlos.

Kaum ein Sparten-Medium versteht sich als "muslimisch"

Das Forschungsprojekt nahm insbesondere die Sparten-Medien genauer
in den Blick. Anfangs nutzten die Wissenschaftler den Begriff
"Muslimische Medien", um solche journalistischen Zeitungen, Magazine,
Sender und Internetangebote zu bezeichnen, deren Nutzer sich zu einem
besonders großen Teil als Muslime verstehen und deren Produzenten
selbst meist Muslime sind. Im Lauf des Projekts stellte sich heraus,
dass sich kaum eines solcher Medien in Deutschland als "muslimisch"
versteht. Mitunter wendeten sich Journalisten aus Sparten-Medien, die
im Projekt individuell befragt wurden, vehement dagegen, den Begriff
für ihr Medium zu verwenden. Sie erklärten in den Interviews, dass
Medien weniger auf religiöser Zugehörigkeit basieren, sondern eher
auf der Sprache, in der sie verbreitet werden (etwa Arabisch,
Türkisch, Paschtunisch, Dari oder Urdu). Ein Argument war zudem, dass
nur Individuen selbst religiös sein könnten, nicht aber das Medium,
für das sie arbeiten. Die wenigen Journalisten, die den Begriff
nachvollziehbar fanden, verstehen "Muslimische Medien" etwa als
Plattformen, mit denen Muslime ihre unterschiedlichen Ansichten
verbreiten können. Das Forschungsteam rückte von dem Begriff ab und
spricht nun von "muslimisch geprägten Sparten-Medien".

Befragte haben Hoffnung, dass Berichterstattung gesellschaftliche
Beziehungen verbessern kann

Wie die Studienergebnisse zeigen, glauben muslimische Mediennutzer
an die Macht der dominanten Mainstream-Medien. Mehr als 70 Prozent
der Befragten sind der Ansicht, dass die Mainstream-Berichterstattung
die Beziehungen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen positiv
beeinflussen kann. Sie glauben das in signifikant geringerem Maße von
"muslimisch geprägten" Medien.

Die Interviews mit Journalistinnen und Journalisten zeigen, dass
sich Medienvertreter schon jetzt bemühen, Klischees, Stereotypen und
Vorverurteilungen zu vermeiden. "Die interviewten Journalisten machen
deutlich, dass sie selbst auf eine differenzierte Darstellung
achten", so der Bielefelder Wissenschaftler Jörg Heeren. Dennoch
mahnen die meisten interviewten Journalisten an, dass Menschen mit
muslimischem Hintergrund in der Berichterstattung nuancierter
dargestellt werden müssen. So wird bedauert, dass in Berichten oft
die religiöse Zugehörigkeit von Personen in den Vordergrund gestellt
werde - obwohl in vielen Fällen die nationale Herkunft oder die
soziale Schicht bedeutsamer wären. "Handlungen von Personen mit
muslimischer Zugehörigkeit werden demnach oft ungerechtfertigt mit
ihrer Religion verknüpft", sagt Heeren. Der Islam und Muslimisch-Sein
werden nach Ansicht zahlreicher Journalisten fälschlicherweise als
Erklärung für abweichendes Verhalten herangezogen, so dass etwa
kriminelles Verhalten als "muslimisch" etikettiert wird.

Hinweis: Studie und Infografiken sind unter
www.vodafone-stiftung.de abrufbar.

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Vodafone Stiftung Deutschland
Die Vodafone Stiftung ist eine der großen unternehmensverbundenen
Stiftungen in Deutschland. Unter dem Leitmotiv "Erkennen. Fördern.
Bewegen." unterstützt die Stiftung als gesellschaftspolitischer
Thinktank insbesondere Programme in den Bereichen Bildung,
Integration und soziale Mobilität mit dem Ziel, Impulse für den
gesellschaftlichen Fortschritt zu geben, die Entwicklungen einer
aktiven Bürgergesellschaft zu fördern und gesellschaftliche
Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es der Vodafone Stiftung
Deutschland vor allem darum, benachteiligten Kindern und Jugendlichen
den sozialen Aufstieg zu ermöglichen.



Pressekontakt:
Vodafone Stiftung Deutschland gemeinnützige GmbH
Danyal Alaybeyoglu
Am Seestern 1, 40547 Düsseldorf
Tel.: 0211 / 533-6786, Fax: 0211 / 533-1898
danyal.alaybeyoglu@vodafone.com
www.vodafone-stiftung.de


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