DER STANDARD-KOMMENTAR "Ungeschicktes Ablenkungsmanöver" von Michael
Völker
Geschrieben am 12-06-2012 |
Mit klassischer Blockadepolitik drängt die Regierung zurück an
die Öffentlichkeit - Ausgabe vom 13.6.2012
Wien (ots) - Offenbar neidet die Bundesregierung der FPÖ die
mediale Aufmerksamkeit, die diese dank Martin Grafs in den
vergangenen Tagen und Wochen auf sich zog. Wie kann es sein, dass die
FPÖ, nur weil man ihr die kalte Enteignung älterer Mitmenschen und
ein bisschen Hochstapelei vorwirft, ganz allein die Nachrichten
beherrscht und kein Kommentator sich der Regierung widmet? Mit einem
politischen Ungustl wie dem Dritten Nationalratspräsidenten konnte
die Koalition nicht aufwarten, daher setzte sie auf bewährte Themen,
um sich schnell zurück in die Schlagzeilen zu katapultieren: Proporz
und Postenschacher. Diese Operation ist gelungen.
Tatsächlich ist es aus strategischer Sicht nur bedingt schlau, die
Freiheitlichen mit ihrer Misere rund um Martin Graf aus den
Schlagzeilen zu verdrängen und sich in dieser Situation dort selbst
breitzumachen. Ein bisschen Zeit hätten Kanzler und Vizekanzler ihrem
blauen Herausforderer schon noch lassen können, ehe sie ihn aus dem
medialen Fokus kicken. Dass sie es nicht notwendig finden, die FPÖ in
ihrer eigenen Brühe schmoren zu lassen, kann man Werner Faymann und
Michael Spindelegger durchaus auch als gesundes Selbstbewusstsein
auslegen. Sie haben immerhin ihre eigenen Themen: Streit und
Blockade, die Verknüpfung von Sachthemen mit Personalbesetzungen.
Wahnsinnig gescheit ist das nicht, das gerade jetzt so offensiv in
die Öffentlichkeit zu tragen, aber offenbar war der Drang zu stark:
Die Koalitionspartner konnten gar nicht anders.
Im Mittelpunkt des Streits steht Werner Muhm, Direktor der
Arbeiterkammer und ein enger Vertrauter und Berater von Kanzler
Faymann. Finanzministerin Maria Fekter entfernte ihn mehr oder
weniger höflich aus dem Generalrat der Notenbank. Eher weniger
höflich. Das ist ein offener Affront gegen den Kanzler, rüde, unnötig
und ungeschickt.
Faymann möchte Muhm zurück in der Notenbank haben. Die ÖVP stellt
Forderungen. Sie verknüpft diese Personalentscheidung mit Sachthemen,
die SPÖ tut es ihr gleich. "Das wäre doch das erste Mal in
Österreich, dass Personalfragen mit Sachfragen verknüpft werden,
oder?", feixte Vizekanzler Spindelegger am Dienstag nach dem
Ministerrat mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Natürlich kennt man
das politische Spiel, aber das war schon sehr provokant. Da könnten
sich die Bürger verschaukelt fühlen, denn sie wissen genau, dass
diese Praxis der liebste Sport der Regierenden ist. Und diesen Sport
schätzt man nicht, er ist kontraproduktiv, es geht um Pfründe, um
Macht und Einfluss, um den Abtausch von Vorteilen, es stehen Egoismen
im Vordergrund.
Mit der Geisel Muhm in der Hinterhand wird um die Einrichtung einer
neuen Bilanzpolizei gepokert, um eine äußerst milde Anpassung der
Einheitswerte, was den Bauern sehr recht käme, und um die Senkung der
Flugticketabgabe. Zum Teil gibt es nicht einmal inhaltlich
Differenzen, da steht ganz dreist die Blockade im Vordergrund. Eine
Blockade auch zulasten der Bürger, wie bei der Ticketabgabe.
Dass die Bundesregierung diese Nummer diesmal so frech und ungeniert
in aller Öffentlichkeit abzieht, ist überraschend. Ihrem Ansehen ist
das nicht dienlich, ganz im Gegenteil. Das bestätigt die übelsten
Vorurteile. Vorurteile, die auch gerne die FPÖ in die Welt setzt.
Aber die ist im Augenblick mit etwas anderem beschäftigt. Was war das
noch einmal?
Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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