Deutsche machen sich weniger Sorgen / Die Studie "Challenges of Europe 2012" des GfK Vereins (BILD)
Geschrieben am 19-06-2012 |
Nürnberg (ots) -
Deutschland bleibt zwar - zusammen mit Frankreich - die
Sorgennation Nummer eins in Europa, doch sind die Sorgenfalten in
diesem Jahr deutlich kleiner geworden. So lautet ein Ergebnis der
aktuellen Studie "Challenges of Europe" des GfK Vereins, die die
Bürger Europas jährlich nach den dringend zu lösenden Aufgaben in
ihrem Land fragt. Nach wie vor steht für die Deutschen die
Arbeitslosigkeit an erster Stelle, allerdings mit deutlich
rückläufiger Tendenz. Die Themen Inflation und wirtschaftliche
Stabilität rücken damit dichter an das Top-Thema heran. Auch in
Europa insgesamt führen diese drei Herausforderungen die Sorgenliste
an. Aus aktuellem Anlass wurden in diesem Jahr auch die Griechen
befragt.
Die Deutschen machen sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich
weniger Sorgen: In der aktuellen Studie des GfK Vereins nannte jeder
Bundesbürger im Durchschnitt 2,6 Probleme, die zu lösen sind (2011:
3,7 Probleme). Damit liegen die Deutschen noch vor den Griechen, die
durchschnittlich 2,4 Herausforderungen nennen. In Europa liegt der
Durchschnitt sogar nur bei 2,0 Problemen und damit ebenfalls deutlich
niedriger als im Vorjahr (2011: 2,4). Nach wie vor die mit Abstand
sorgenfreieste Nation ist Schweden mit durchschnittlich 1,1 genannten
Herausforderungen.
Arbeitslosigkeit bleibt Top-Thema - jedoch niedrigster Wert seit
Beginn der Erhebungen
Nur noch gut ein Drittel der Bundesbürger macht sich Sorgen um die
Lage auf dem Arbeitsmarkt. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein
Rückgang um 21 Prozentpunkte. Seit Beginn der gesamtdeutschen
Erhebungen im Jahre 1990 wurde kein geringerer Wert gemessen. Darin
spiegelt sich die anhaltend gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in
Deutschland wider. "Die Bundesrepublik ist das einzige Land in
Europa, das während der Krise seine Arbeitslosigkeit sogar
zurückführen konnte und dies nach den Prognosen der
Wirtschaftsforschungsinstitute auch in diesem Jahr fortsetzen wird",
erläutert Prof. Dr. Raimund Wildner, Geschäftsführer des GfK Vereins.
Im Gegensatz dazu hat die Sorge um die konjunkturelle Entwicklung
deutlich zugenommen. Lag sie 2011 mit 14 Prozent noch auf dem zehnten
Rang, ist sie nun mit 24 Prozent auf den dritten Platz geklettert.
Nur in den Krisenjahren 2009 und 2010 wurden höhere Werte gemessen.
Im Zuge der sich verschärfenden rezessiven Tendenzen im Euro-Raum
sehen die Bundesbürger durch die starke Exportabhängigkeit der
deutschen Industrie offenbar auch Gefahren für die eigene Konjunktur.
Inflation bleibt für die Deutschen eine reelle Gefahr
Zwar machen sich die Bundesbürger weniger Sorgen um die Preis-
bzw. Kaufkraftentwicklung als im Vorjahr, dennoch bleibt das Thema
auf dem zweiten Platz im Sorgenranking. Gut jeder vierte Bundesbürger
sieht die Preisstabilität in Gefahr, vor einem Jahr war es noch jeder
dritte. Hohe und weiter steigende Energiepreise lassen viele
Bundesbürger um ihre Kaufkraft bangen. Zudem sehen die Deutschen
durch die diversen Rettungspakete zunehmende Gefahren für die
Stabilität der Währung. Bislang deckt sich diese Befürchtung jedoch
nicht mit den amtlichen Zahlen der Lebenshaltungskosten. So ging die
Inflationsrate nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Mai auf
1,9 Prozent zurück, nachdem sie im April noch bei 2,1 Prozent gelegen
hatte.
Sozialpolitische Themen weniger im Fokus der Deutschen
Spürbar abgenommen haben in diesem Jahr die Bedenken der
Bundesbürger über die soziale Sicherung. Nachdem 2011 noch 25 Prozent
dies mit Sorge betrachteten, sind es aktuell nur noch 11 Prozent.
Damit rutscht das Thema von Rang 3 auf Rang 9. Ähnliches gilt für das
Gesundheitswesen (2012: 11 Prozent / 2011: 19 Prozent), das von Platz
5 auf Platz 10 zurückfällt. Auch das Thema Rente ging von 17 Prozent
Besorgten im vergangenen Jahr auf 13 Prozent zurück.
Das Thema Armut hat 2012 erstmals den Sprung unter die
Top-Ten-Sorgen der Deutschen geschafft und belegt nun Platz 8:
Aktuell sorgen sich 12 Prozent darüber, doppelt so viele wie im
Vorjahr. "Vor allem der steigende Anteil der prekären
Beschäftigungsverhältnisse sowie die sich abzeichnende Altersarmut
bei Menschen mit nicht durchgehenden Erwerbsbiografien geben den
Bundesbürgern anscheinend zunehmend zu denken", so Raimund Wildner.
Dagegen machen sich die Bundesbürger deutlich weniger Sorgen um
die Bildungspolitik als noch im vergangenen Jahr. Der Anteil der
Besorgten halbiert sich fast von 23 Prozent 2011 auf nun 12 Prozent.
Damit fällt dieses Thema von Rang 4 auf Rang 7 zurück.
Inflationsängste polarisieren Ost und West
Bei der Gegenüberstellung der alten und neuen Bundesländer zeigen
sich nach wie vor deutliche Unterschiede. Zwar sind die Top-3-Themen
identisch, jedoch nicht die Reihenfolge bzw. das Ausmaß der
Beunruhigung. Sowohl in Ost als auch in West ist das Thema
Arbeitslosigkeit top, die Unterschiede sind aber gravierend. Während
sich in den alten Ländern nur noch knapp ein Drittel der Befragten um
den Arbeitsmarkt sorgt, sind es im Osten gegenwärtig 45 Prozent. Noch
etwas größer sind die Abweichungen beim Thema Inflation. Die Preis-
und Kaufkraftentwicklung sehen im Osten 39 Prozent (Rang 2), in den
alten Ländern 24 Prozent (Rang 3) mit Sorge. Bei der Sorge um die
wirtschaftliche Stabilität sind die Differenzen zwischen West und Ost
am geringsten. Hier liegt der Westen mit 25 Prozent vor den neuen
Ländern mit 18 Prozent.
In Europa ist der Arbeitsmarkt weiterhin das Top-Thema
Neben Deutschland wurde die Studie zum wiederholten Male in zehn
weiteren europäischen Ländern durchgeführt. Aufgrund der aktuellen
Lage in Europa wurde dieses Jahr Griechenland ergänzend in die
Erhebung mit einbezogen (die Ergebnisse finden Sie auf Seite 6). Die
Arbeitslosigkeit belegt europaweit, wie bereits im Vorjahr, mit 38
Prozent die Spitzenposition - jedoch mit einem minimalen Rückgang von
einem Prozentpunkt. In neun der zwölf untersuchten Länder nimmt
dieses Thema ebenfalls den ersten Platz ein. Zudem fällt auf, dass in
sieben Ländern im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg festzustellen
ist, nur in Deutschland und Schweden werden geringere Werte gemessen.
Die mit weitem Abstand stärkste Präsenz weist das Thema mit 79
Prozent in Spanien auf, gefolgt von Frankreich mit 63 Prozent. Gerade
Spanien hat im Augenblick mit stark steigender Arbeitslosigkeit zu
kämpfen. Momentan ist fast jeder Vierte in Spanien ohne
Beschäftigung. In den Niederlanden dagegen spielt das Thema mit 11
Prozent eine weitaus geringere Rolle.
Inflationssorgen in Europa etwas gedämpft
Ebenfalls etwas kleiner geworden sind in diesem Jahr die Sorgen
über Preissteigerungen. 22 Prozent der Befragten in Europa - das sind
4 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr - sehen gegenwärtig der Preis-
und Kaufkraftentwicklung mit Sorge entgegen. Damit rangiert das Thema
weiter auf Platz 2. Am stärksten beunruhigt die Inflation die
Menschen in Frankreich. 34 Prozent sind hier besorgt - dies ist ein
Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 7 Prozentpunkte. Hier dürfte die
beschlossene Erhöhung der Mehrwertsteuer die Beunruhigung vergrößert
haben. Dagegen haben Inflationsängste in Schweden und Spanien mit 1
bzw. 2 Prozent derzeit nahezu keine Bedeutung.
Große Sorgen um wirtschaftliche Entwicklung in Italien und Spanien
Die wirtschaftlich schwache Entwicklung in weiten Teilen Europas
beunruhigt die Bürger zunehmend. 16 Prozent gaben an, dass sie sich
um die wirtschaftliche Stabilität in ihrem Land sorgen. Im Vorjahr
waren es "nur" 12 Prozent. Damit ist es das einzige Top-Ten-Thema,
dessen Anteil innerhalb des vergangenen Jahres gestiegen ist: Es ist
im Sorgenranking von Rang 5 auf Rang 3 geklettert.
In Italien und Spanien sind die Ängste um die Wirtschaft am
stärksten ausgeprägt. 30 Prozent der italienischen Bürger (2011: 22
Prozent) sowie 29 Prozent der Spanier (2011: 30 Prozent) machen sich
derzeit große Sorgen, dass der rigorose Sparkurs ihre Länder in eine
schwere Rezession führt. Und in der Tat geht der Internationale
Währungsfond in seiner aktuellen Prognose vom April dieses Jahres
davon aus, dass in beiden Ländern das Bruttoinlandsprodukt jeweils um
knapp 2 Prozent schrumpfen wird.
Am geringsten sind die Ängste um die wirtschaftliche Entwicklung
derzeit in Russland und Polen, wo sich nur 4 bzw. 5 Prozent der
Befragten um die Konjunktur sorgen.
Sorge hinsichtlich der politischen Entwicklung hat in Europa an
Brisanz verloren
Die Sorge um die politische Stabilität hat an Brisanz verloren.
Nur noch 8 Prozent der Befragten sind derzeit in Europa darüber
beunruhigt. Damit liegt das Thema 2012 auf Rang 7, nachdem es im
Vorjahr noch unter den Top 3 gewesen ist. Der Rückgang um 4
Prozentpunkte ist vor allem auf die Sondereffekte in Belgien und
Italien zurückzuführen. Zum einen konnte in Belgien nach einer
längeren Phase des Stillstandes Ende 2011 endlich wieder eine
Regierung gebildet werden, weshalb der Anteil der Besorgten im
Jahresverlauf von 57 Prozent auf 18 Prozent gesunken ist. Dennoch ist
dies nach wie vor der höchste Wert in Europa.
Zum anderen hat sich mit dem Rücktritt von Silvio Berlusconi und
der Regierungsübernahme durch Mario Monti in Italien im November 2011
auch ein Großteil der Sorgen um die politischen Verhältnisse in
diesem Land beinahe in Luft aufgelöst. Der Anteil ging von 33 Prozent
2011 auf 10 Prozent in diesem Jahr zurück.
Ein Blick auf Griechenland
Wegen der aktuellen Lage in Europa wurde Griechenland ergänzend in
die diesjährige Erhebung miteinbezogen. Aufgrund mangelnder
Vergleichbarkeit zu den Ergebnissen aus den Vorjahren wurde
Griechenland jedoch nicht in die gesamteuropäische Berechnung
integriert.
Mit durchschnittlich 2,4 genannten Problemen pro Person belegt
Griechenland hinter Deutschland und Frankreich Platz 3 der
sorgenvollsten Nationen Europas. Angesichts der bestehenden
Haushalts- und Staatsschuldenkrise des Landes, die alle
wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bereiche erfasst hat, ist
dieses moderate Ergebnis sogar etwas überraschend.
Als Hauptsorge der Griechen hat sich in der Studie ebenfalls die
Arbeitslosigkeit mit 33 Prozent herauskristallisiert. Die in Europa
derzeit zu verzeichnende geringe Brisanz des Themas Politik und
Regierung gilt jedoch nicht für Griechenland: 26 Prozent der Griechen
sind über die politische Stabilität in ihrem Land beunruhigt. Die
Diskussionen um den harten Sparkurs, der Griechenland auferlegt
worden ist, drohen das Land politisch zu zerreißen. Die kürzlich
durchgeführten Parlamentswahlen fanden zwar keinen Eingang in die
Ergebnisse, da die Befragung zu diesem Zeitpunkt bereits
abgeschlossen war. Die Folgen der Wahlen, wie der erfolglose Versuch
einer Regierungsbildung sowie die Ankündigung von Neuwahlen für Mitte
Juni, dürften die Sorgen über die weitere politische Entwicklung aber
eher noch verstärken.
Auch die wirtschaftliche Lage stellt sich in Griechenland derzeit
schwierig dar. Das Bruttoinlandsprodukt wird vermutlich um mehr als 4
Prozent zurückgehen. Folglich überrascht es nicht, dass knapp ein
Viertel der griechischen Befragten die Sorge um die wirtschaftliche
Stabilität genannt hat.
Zur Studie
Diese Ergebnisse sind ein Auszug aus der GfK-Studie "Challenges of
Europe 2012" und basieren auf rund 13.300 Verbraucherinterviews, die
im Auftrag des GfK Vereins im Februar 2012 in Deutschland, Italien,
Frankreich, Polen, Österreich, Großbritannien, Belgien, Russland,
Spanien, den Niederlanden, Schweden und zusätzlich in Griechenland
durchgeführt wurden.
Grundlage der Untersuchung ist folgende offene Frage, die jedes
Jahr unverändert gestellt wird: "Welches sind Ihrer Meinung nach die
dringendsten Aufgaben, die heute in [jeweiliges Land] zu lösen sind?"
Die Befragten erhalten keinerlei beschränkende Vorgaben für ihre
Antwortmöglichkeiten, Mehrfachnennungen sind möglich.
Zum GfK Verein
Der GfK Verein ist eine 1934 gegründete Non-Profit-Organisation
zur Förderung der Marktforschung. Er setzt sich aus rund 600
Unternehmen und Einzelpersonen zusammen. Zweck des Vereins ist es,
innovative Forschungsmethoden in enger Zusammenarbeit mit
wissenschaftlichen Institutionen zu entwickeln, die Aus- und
Weiterbildung von Marktforschern zu fördern und die für den privaten
Konsum grundlegenden Strukturen und Entwicklungen in Gesellschaft,
Wirtschaft und Politik zu verfolgen sowie deren Auswirkungen auf die
Verbraucher zu erforschen. Die Studienergebnisse werden den
Mitgliedern des Vereins kostenlos zur Verfügung gestellt. Der GfK
Verein ist Gesellschafter der GfK SE. Weitere Informationen unter
www.gfk-verein.org.
Pressekontakt:
V.i.S.d.P.
GfK Verein, Presse
Sandra Lades
Nordwestring 101
90419 Nürnberg
Tel. +49 911 395-3606
sandra.lades@gfk-verein.org
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