BERLINER MORGENPOST: Die Metapher vom großen Kick / Leitartikel von Marius Schneider
Geschrieben am 21-06-2012 |
Berlin (ots) - Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Immer. Behaupten
zumindest die Experten. Und in einem fast hegelianischen Sinne
scheint nun endlich welthistorisch wahr zu werden, was Kahn und Co.
so lang schon predigen: bei dieser Europameisterschaft, bei diesem
heutigen Spiel. Deutschland gegen Griechenland, These gegen Antithese
- am Ende (und hier ist dann erst mal Schluss mit Hegel) kann es nur
einen geben. Denn der Sieg wird entweder den Hochherzigen,
Geschundenen, Unkaputtbaren gehören - oder den Knauserigen,
Millionenverwöhnten und Fleißverliebten. Ja, es ist nur Fußball und
eigentlich auch nur ein Spiel. Aber wenn wir ganz tief in die dunkle
Seite unseres Herzens blicken, dann ist es wichtig und groß und
schicksalhaft - und hat echt mehr Einschaltquote als jeder
Fiskalpakteurorettungsgipfel. Dieser Viertelfinaltag ist Zahltag:
Eure Sparknute, meine Bummelpleite - einer wird gewinnen, der andere
ist dann endlich raus aus dem/der Euro. Und so trifft in mancher
Augen jede Blutgrätsche gegen Philipp Lahms Wade ein bisschen auch
die zähen Knochen von Angela Merkel, der hartleibigen Kanzlerin, die
auf ihrem (also unserem) Geld hockt wie Dagobert Duck auf seiner
Matratze. Und jedes Tor gegen die Griechen zertritt eben auch ein
bisschen jede vermeintliche Lungerstunde bei Ouzo unter sanfter
Sonne. Die Wahrheit liegt auf dem Platz, jawohl, und sie wird grausam
sein! Nüchterne Realpolitiker und andere Langweiler wissen natürlich,
dass sie da nicht liegt, die Wahrheit. Nicht auf dem Platz und nicht
in diesem einen Spiel. Die Frage ist nur: Wo liegt sie dann? Mit dem
Fiskalpakt auf dem Kabinettstisch der Kanzlerin? Dort liegt vor allem
ein Formelkompromiss, in den jeder hineinlesen kann, was er mag: ein
Wachstumspaket inklusive Finanztransaktionssteuer; oder eine
Schuldenbremse ohne laxe Hintertüren für Griechen und andere Sozis.
Liegt die Wahrheit auf dem Verhandlungstisch des
Bundesverfassungsgerichts? Das hat sich beim Bundespräsidenten gerade
Bedenkzeit für die Frage erbeten, ob und wie sehr der Bundestag bei
europäischen Rettungsrunden mitreden darf und soll. Das eine
Verfassungsorgan bittet das andere um Aufschub beim Entscheid über
die Rechte des Dritten - ein fast schon mediterraner Moment in
unserer als seelenlos verschrienen Rechtsstaatswirklichkeit. Sind wir
in Wahrheit griechischer, als wir wahrhaben wollen? Nur auf etwas
höherem wirtschaftlichen Niveau? Und so bleibt bei Suche nach
Wahrheit oder dem Ort, an dem sie liegt, vielleicht doch nur der
Blick auf den Platz. Oder besser, an dessen Seitenlinie. Denn da
tummeln wir uns selbst: die besten Trainer, Fans und Kommentatoren
jenes Spiels um den oder die Euro, das wir selbst meist nicht
beherrschen, und das uns dennoch so viel bedeutet. Und würde man die
Metapher vom großen Kick nur an zwei Stellen ein wenig begradigen
(etwas mehr von der Emotion und etwas weniger von diesem "Alles oder
nichts", bzw. "Die oder wir"), dann könnte man für den Euro 2020
schon eine Menge bewegen. Denn hier liegt der scheinbar langweilige
Charme: Wir wären alle Gewinner.
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