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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Löw und der DFB-Auswahl

Geschrieben am 01-07-2012

Bielefeld (ots) - Das jähe Ende einer Dienstreise. So haben die
Deutschen das nicht kommen sehen, ihre Enttäuschung über den EM-K.o.
hält unvermindert an. Man kann getrost darauf wetten, dass nicht alle
DFB-Auswahlspieler gestern Abend vor dem Fernseher gesessen haben, um
sich das finale Duell zwischen Italien und Spanien anzusehen.
Schmerzlindernde Wirkung entfaltete die Übertragung aus Kiew wohl
kaum, waren hier doch die beiden Deutschland-Peiniger der vergangenen
Jahre untereinander am Werk.

Um selbst wieder einen Titel zu holen, müsste der dreifache
Welt-und Europameister endlich wieder den Siegercode entschlüsseln.
Das gelang ihm nun schon seit 16 Jahren nicht mehr, und ob es dann in
zwei Jahren bei der Weltmeisterschaft in Brasilien glückt, ist schon
aus einem schwerwiegenden geographischen Grund zu bezweifeln. In
Südamerika hat sich noch nie eine Mannschaft aus Europa durchgesetzt.
Das ist seit ewigen Zeiten Gesetz.

Dies hält Joachim Löw allerdings nicht davon ab, es mit seinem
Team zu probieren. Oder soll jetzt etwa eine ernsthafte Diskussion
über den Bundestrainer angezettelt werden? Am Wochenende sind weitere
Heckenschützen in Stellung gegangen, um sich fies auf den Freiburger
einzuschießen. Sie vernachlässigen, dass Löw das Spiel der
Nationalmannschaft wieder salonfähig gemacht hat und unter seiner
Führung nur sechs von 50 Pflichtspielen verloren gingen.

Ihn in Frage zu stellen, ist unangemessen. Ihm Fragen zu stellen,
hingegen nicht. Warum ist sich Löw selbst untreu geworden und hat
eine Taktik ausgetüftelt, die mehr auf den Gegner zugeschnitten war
als auf die eigenen Leute? Das hätte man sich dann doch viel
couragierter vorgestellt. Warum hielt er an Bastian Schweinsteiger
fest, obwohl der den 100-Prozent-Fitness-Grundsatz des Trainers nicht
erfüllte? Weil Löw offenbar glaubte, auf den Münchener als
Führungsfigur mit dem Potenzial zum Mitreißer unter keinen Umständen
verzichten zu können. Das berührt jetzt die wohl wundeste Stelle in
der Mannschaft. Ihr fehlt es auf der Zielgerade eines solchen
Turniers an einer einschüchternden
»Die-hauen-wir-jetzt-weg«-Attitüde. Sagen wir salopp: eine Prise
Balotelli täte schon ganz gut.

Aber da gibt es bei den Deutschen nicht so viele Typen, die sowas
drauf haben, und vom Himmel fällt das Gen zum Gewinnen leider auch
nicht. Es ist, wenn es um Finals geht, sogar den Bayern abhanden
gekommen, dem Hauptlieferanten der Nationalelf. Es fehlt zudem
Joachim Löw, der im sechsten Jahr seiner Tätigkeit und nach drei
Turnieren vorerst ein Unvollendeter bleibt. Der Bundestrainer wird in
Brasilien Chance Nummer vier suchen. Unwahrscheinlich, dass der
52-Jährige seinen Vertrag anschließend nochmals verlängert. Bis dahin
treibt er die Entwicklung seiner Mannschaft voran. Die stoische
Selbstverständlichkeit der Spanier, der kleine Sausackfaktor der
Italiener, das Abgebrühte eines Turniersiegers - daran mangelt es
noch.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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