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DER STANDARD-KOMMENTAR "Europas Zombiebanken" von Lukas Sustala

Geschrieben am 05-07-2012

Die Leitzinssenkung der EZB ist besser als nichts und bringt
kaum etwas - Ausgabe vom 6.7.2012

Wien (ots) - Die Europäische Zentralbank, Hüterin der
Preisstabilität in der Eurozone, hat die Leitzinsen gesenkt: von
bereits niedrigen 1,0 Prozent auf rekordtiefe 0,75 Prozent - doch
dieser Schritt geht ins Leere. Ökonomen erhoffen sich von einer
Zinssenkung der Notenbank im Normalfall eine Stärkung der
Realwirtschaft. Niedrigere Zinsen sollen die Investitionen der
Unternehmen ankurbeln und Sparern nahelegen, ihr Erspartes doch
lieber zu konsumieren.
Doch mit den Zinssenkungen verhält es sich wie mit dem Biergenuss.
Das erste Krügerl mag den Gaumen erfreuen, das zweite die Laune
heben. Aber spätestens das fünfte oder sechste ist zu viel des Guten.
Eine Zinssenkung auf 0,75 Prozent wird wenige Unternehmen von
Investitionsprojekten überzeugen - und wenn, dann dürfte die Qualität
der Investition äußerst zweifelhaft sein, wenn sie sich nur bei einem
Zins unter einem Prozent überhaupt rechnet.
Die Zinssenkung der EZB wird daher keine Trendwende in der Eurozone
einleiten. Die Konjunktur wird ja nicht von zu hohen kurzfristigen
Finanzierungskosten abgewürgt. Sie wird davon zurückgehalten, dass
der Fortbestand der Währungsunion angezweifelt wird und die
politische Unsicherheit die Investitionen und den Konsum weiter
drückt.
Die europäischen Banken bleiben dabei die Achillesferse. Viel zu spät
hat die Wirtschaftspolitik erkannt, dass die faulen
Immobilienkredite, die sich in den Bilanzen angehäuft haben, aus den
Geldinstituten lebende Tote gemacht haben. In Japan, haben die
Zombiebanken - Geldinstitute, die eigentlich insolvent sind, aber von
der Zentralbank am Leben gehalten werden - wesentlich zur
jahrzehntelangen monetären Malaise beigetragen. In Japan folgten auf
die Immobilienblase 1990 zwei Jahrzehnte von finanziellen
Entbehrungen, mit fallenden Kreditbeständen und Deflation. Dieses
Szenario droht der Eurozone. Auch in Europa bleibt jeder Versuch der
EZB, die Wirtschaft anzukurbeln, in den Banken stecken.
Das haben die jüngsten Geldspritzen von mehr als einer Billion Euro
(1000 Milliarden) gezeigt. Sie haben nur Symptome, nicht aber die
Ursache bekämpft: Europas Banken halten nicht nur faule Wertpapiere
aus den Immobilienbooms von 2005 bis 2007, sondern müssen noch
zusehen, wie ihre Staatsanleihen vor ihren Augen verrotten. Die
Geldmenge in Ländern wie Spanien und Italien ist deshalb real weiter
gefallen. Deutsche, österreichische und niederländische Banken sehen
keinen Grund, ihren spanischen Konkurrenten Geld zu leihen. Dafür
muss die EZB einspringen.
Wenn es der Zentralbank und ihren europäischen Partnern nicht
gelingt, die Staatsanleihenmärkte von Spanien oder Italien wieder
funktionsfähig zu machen, wird sich die Situation noch verschärfen.
Der Teufelskreis zwischen Banken und Staaten ist erst dann
durchbrochen, wenn es absolute Sicherheit gibt, dass Spanien und
Italien ihre Schulden zu 100 Prozent tilgen werden. Dieses
Versprechen kann nur eine Institution abgeben: die Europäische
Zentralbank.
Sie hat daher die Wahl: Interveniert sie mutig und uneingeschränkt im
Staatsanleihenmarkt, um die Zinsaufschläge für Spanien auf ein
erträgliches Maß zu senken - oder lässt sie weiter die Zombiebanken
an ihre Tröge? Dies wäre ökonomisch wohl genauso teuer - würde aber
den Kreditfluss in die Realwirtschaft noch weiter abschnüren.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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