Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Bundesverfassungsgericht nimmt sich Zeit für den Euro
Machtfragen
THOMAS SEIM
Geschrieben am 16-07-2012 |
Bielefeld (ots) - Übermorgen tritt der Bundestag zusammen. Er muss
über bis zu 100 Milliarden Euro Finanzhilfe für den spanischen
Bankenrettungsfonds entscheiden. Die Abgeordneten werden dafür aus
dem Urlaub gerufen. Es besteht Eilbedürftigkeit. Das
Bundesverfassungsgericht verkündet seine Entscheidung über den
Euro-Rettungsschirm im Eilverfahren - am 12. September. Viel Zeit
also. Interessant ist die Begründung des
Verfassungsgerichtspräsidenten Voßkuhle: Es wird eine vertiefte
summarische Prüfung geben. Ja, was nun: Eilverfahren oder vertiefte
Prüfung? Vieles spricht dafür, dass das Bundesverfassungsgericht
derzeit zurückerobert, was das Parlament an Machtteilung pauschal an
die Bundesregierung abgetreten hat. Die Richter lassen sich weder in
Sachzwängen fesseln noch zeitlich zu gefälligen Entscheidungen
nötigen. Man mag das als verfassungsrechtliche Spitzfindigkeit abtun,
aber tatsächlich sichern die Karlsruher Richter unter dem Vorsitz
ihres Präsidenten derzeit den Fortbestand der Gewaltenteilung in
Deutschland. Das tun die Richter nicht ohne Eigennutz. Schließlich
war ihre Bedeutung in den Zeiten großer politischer Mehrheiten
marginalisiert und auf existenzielle Fragen wie das Abtreibungsrecht
oder Menschenrechtsfragen wie das Asylrecht begrenzt worden. Jetzt
aber stehen die Richter mitten im aktuellen Streit um den Fortbestand
EU und damit im Begründungszusammenhang der zweiten deutschen
Demokratie. Das Thema ist nicht zu unterschätzen. Es war
Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst mit der unsäglichen Formulierung
von der Alternativlosigkeit ihrer Politik, die Handlungszwänge
artikulierte, wo eine klärende und erklärende Debatte in der
deutschen Gesellschaft über die Zukunft in Europa nötig gewesen wäre:
Ja, wir wollen die Europäische Einheit mit grenzenlosem Frieden, der
Freiheit zu Reise, wirtschaftlichem Engagement, Wohlstand, weltweiter
Konkurrenzfähigkeit und politischem Diskurs - so hätte eine Antwort
lauten können. Ja, wir sind bereit, dafür Risiken zu übernehmen und
die wirtschaftliche Vorherrschaft in Europa nicht in politische
umzuwandeln. Das ist das Erfolgsmodell Europas, auf das schon Helmut
Kohl und Helmut Schmidt setzten. Merkel sieht sich offenbar nicht in
dieser Tradition. Sie hat die politische Gestaltung aus der Hand
gegeben zugunsten von Sachzwängen, die im Wesentlichen Beamte,
Finanzexperten und Bankenvorstände formulieren. Es mag pikant sein,
dass nun ausgerechnet der Verfassungsrichter - ein Lipper übrigens -
sich zum Verteidiger der Gewaltenteilung aufschwingt, der sich Merkel
verweigerte, als sie ihn vor ein paar Monaten noch zum
Staatsoberhaupt machen wollte. Aber es ist richtig. Und es zeigt vor
allem: Im Ringen um den richtigen Kurs unserer Demokratie hat sich
der Bundestag zwar bis auf weiteres verabschiedet. Die Zukunft von
Euro und Europäischer Union aber ist damit zu einer Machtfrage
geworden zwischen Verfassungsgericht und Bundesregierung. Gut, dass
es Karlsruhe gibt!
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
406979
weitere Artikel:
- Mittelbayerische Zeitung: Da passt etwas nicht Regensburg (ots) - Von Claudia Bockoldt
Nichts passt mehr bei vielen Deutschen, nicht die Kleider vom
letzten Jahr, nicht die Autositze, nicht das Verhältnis zwischen
gefutterten Kalorien und körperlicher Betätigung. Noch etwas passt
nicht: Die Tatsache, dass eine in die Breite gehende Gesellschaft
sich von einem Schlankheitsideal beherrschen lässt, das ausgewachsene
Frauen in Kindergrößen zwängt und längst auch Männer in die
Fettabsaugung treibt. Schlank gleich schön gleich erfolgreich - diese
Formel ist noch leichter zu durchschauen mehr...
- Lausitzer Rundschau: Salomonische Lösung
Zum Streit über rituelle Beschneidungen Cottbus (ots) - Für die jüdischen Gemeinden ist es
existenzbedrohend. Wenn das Kölner Beschneidungsurteil Bestand hat,
wird die im Judentum vorgeschriebene rituelle Beschneidung in
Deutschland nicht mehr möglich sein. Eltern, die ihre Kinder
entsprechend der Religion ihrer Ahnen aufwachsen lassen wollen,
werden für die Beschneidung ins Ausland gehen müssen - oder sie unter
dubiosen Umständen illegal vollziehen lassen. Doch im Fall der
Beschneidung kollidieren Grundrechte. Das Recht des Kindes auf
körperliche Unversehrtheit ist nicht mehr...
- Lausitzer Rundschau: Planungssichere Schwebe
Karlsruhe entscheidet im September über Euro-Rettungsschirm Cottbus (ots) - Die Rechtssicherheit für den neuen
Euro-Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt für mehr
Haushaltsdisziplin in Europa hängt weiter in der Schwebe. Aber
wenigstens für diese Schwebe gibt es jetzt Planungssicherheit: Erst
am 12. September, also in knapp zwei Monaten, will das
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die damit verbundenen
Eilanträge entscheiden. Doch das ist kein Beinbruch. Zunächst einmal
signalisiert das Bundesverfassungsgericht damit, dass es nicht
gewillt ist, sich von der Tagespolitik hetzen zu mehr...
- Das Erste, Dienstag, 17. Juli 2012, 5.30 - 9.00 Uhr
Gäste im ARD-Morgenmagazin Köln (ots) - 8.05 Uhr, Hans-Peter Friedrich, Bundesinnnenminister,
Thema: DFB Sicherheitsgipfel und NSU
Pressekontakt:
WDR Presse und Information, Kristina Bausch, Tel. 0221-220-7121
Agentur Ulrike Boldt, Tel. 02150 - 20 65 62 mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Umwelt / Klima Osnabrück (ots) - Wenn Wasser und Wind sexy werden
Wie trotzige Kinder beharren die Staats- und Regierungslenker auf
ihrer fixen Idee, den Klimaschutz auf der UN-Bühne zu üben. Sicher,
die Erderwärmung ist eine globale Herausforderung. Leider fehlt
offenkundig der weltweite Wille, zur Lösung an einem Strang zu
ziehen. Die Aufforderung Katars, wo der nächste Weltklimagipfel
stattfindet, nun endlich zu handeln, bleibt blass. Und ist ebenso
blutleer wie Angela Merkels Sorge vor einem Zeitspiel.
Allerdings scheint die einst mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|