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Börsen-Zeitung: Trübere Aussichten, Börsenkommentar "Marktplatz", von Dieter Kuckelkorn.

Geschrieben am 20-07-2012

Frankfurt (ots) - Die europäische Schuldenkrise hat sich aus Sicht
der Investoren in der gerade beendeten Handelswoche noch weiter
verschlimmert. Deutlich wird das beispielsweise am Aktienmarkt. So
hat der Dax am Freitag 1,9% auf 6630 Punkte eingebüßt, sodass auf
Wochensicht nur noch ein kleines Plus von 1,1% herausgekommen ist.
Den Vorstoß auf die Marke von 6800 Punkten, die der Dax am Vortag
noch ins Visier genommen hatte, musste er abbrechen.

Eindeutig sind auch die Reaktionen am Bondmarkt. Die Flucht in
Qualität hat sich verstärkt, sodass die Renditen zweijähriger Titel
der als (weitgehend) krisenfest angesehenen Staaten wie Deutschland
und sogar Belgien in den negativen Bereich gerutscht sind und sich
auch am langen Ende nahe den Rekordtiefs befinden. Die Anleger sind
also so sehr auf reinen Kapitalerhalt bedacht, dass sie teilweise auf
Rendite verzichten.

Auf der anderen Seite ist die kurze Verschnaufpause für Länder wie
Spanien und Italien mit niedrigeren Zinsen bei den Auktionen von
Staatsanleihen auch schon wieder vorüber. Zuletzt musste Spanien
wieder deutlich mehr bieten, um die eigenen Titel noch unters
Investorenvolk zu bringen. Eine Verzinsung zehnjähriger Bonds von 7%
und mehr ist für Spanien auf Dauer untragbar, sodass immer mehr
Marktteilnehmer davon ausgehen, dass Spanien - aber auch Italien -
über kurz oder lang die Fähigkeit verliert, sich über den
Kapitalmarkt zu finanzieren und somit vollständig unter den
Rettungsschirm schlüpfen muss - vielleicht noch in diesem Jahr,
vielleicht auch erst 2013.

Zudem gibt es Verunsicherung wegen der für den 12. September
angesetzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Rechtmäßigkeit des Fiskalpaktes und des European Stability Mechanism
(ESM). Das Gericht könnte allen Bemühungen der Errichtung einer
Haftungsunion den Garaus machen. Bis zu dieser Entscheidung, so
vermuten Analysten, wird sich an den extrem divergierenden
Zinsniveaus von Staaten aus dem Kern und der Peripherie der
Europäischen Union nicht viel ändern.

Die Unsicherheit setzt auch dem Euro zu. Die Gemeinschaftswährung
ist am Freitag wieder unter die Marke von 1,22 Dollar gerutscht. Zu
Währungen mit deutlich höherer Verzinsung wie dem australischen und
dem kanadischen Dollar ist der Euro sogar auf Rekordtiefs gefallen.
Nun lässt sich argumentieren, dass ein schwächerer Dollar im Grunde
ein Segen ist, weil er insbesondere exportorientierten Unternehmen
aus der Eurozone Rückenwind verleiht und innerhalb der Eurozone die
Importe aus anderen Regionen der Welt verteuert. Die Abwertung der
Währung könnte sogar zu einer Sonderkonjunktur führen. Damit ist
aber, davon sind die Analysten der UBS überzeugt, aktuell in der
Eurozone nicht zu rechnen. In weiten Teilen des europäischen
Bankensystems sei das Vertrauen abhandengekommen. Volkswirtschaften
wie Spanien, Italien, Griechenland und Portugal befänden sich in der
Rezession und in der Eurozone sei das Wachstum stark gebremst. Die
Experten der Bank gehen davon aus, dass sich die Schwäche des Euro
fortsetzt: Für das Jahresende sagen sie einen Stand von 1,15 Dollar
voraus, für Ende 2013 ein Niveau von 1,10 Dollar.

Damit stellt sich die Frage, warum sich der Aktienmarkt -
abgesehen von der schlechten Stimmung zum Wochenende - noch so gut
hält. Dafür gibt es im Grunde nur eine Erklärung: Die Anleger
erwarten, dass die Wachstumsschwäche in der Eurozone mittelfristig
überwunden wird. Das setzt aber voraus, dass die globalen Notenbanken
nochmals in die Vollen gehen und weitere Maßnahmen zur
Konjunkturstimulierung beschließen und umsetzen. Dazu sind sie aber
noch nicht bereit, wie Ben Bernanke, Chairman der US-Notenbank Fed,
bei seinem Auftritt vor dem Kongress in Washington deutlich gemacht
hat.

Es gibt aber noch einen kurzfristigen Effekt, der den Aktienmarkt
stützen könnte. Wie die Analysten der Helaba anmerken, ist die
Quartalssaison bislang positiv ausgefallen. Rund 67% der Unternehmen
aus dem S&P500, die bisher ihre Zahlen vorgelegt haben, vermochten
positiv zu überraschen. Die Helaba-Experten folgern daraus, dass die
Ergebniserwartungen der Analysten nach den zahlreichen
Gewinnrevisionen der vergangenen Monate nun endlich ein realistisches
Niveau erreicht haben.

Ob die recht positive Entwicklung am Aktienmarkt nachhaltig ist,
muss sich aber erst noch zeigen. Das setzt wie erwähnt voraus, dass
sich die Notenbanken tatsächlich zu weiteren Eingriffen entschließen.
Bleiben diese aus, sind die Kursniveaus bei weiteren schlechten
Nachrichten aus Ländern wie Spanien und Italien in Gefahr.

(Börsen-Zeitung, 21.7.2012)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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