Weser-Kurier: Kommentar zum Wahlrechtsurteil
Geschrieben am 25-07-2012 |
Bremen (ots) - Die erneute Klatsche aus Karlsruhe hat sich die
schwarz-gelbe Koalition redlich verdient. Es ist zudem eine
Niederlage, die absehbar war. Denn Union und FDP haben nicht nur die
vom höchsten deutschen Gericht 2008 gesetzte Drei-Jahres-Frist für
eine Wahlrechtsreform zunächst verstreichen lassen und damit
mangelnden Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgericht gezeigt.
Sie haben auch die Kritik der meisten Verfassungsrechtler an ihrem
Gesetz einfach ignoriert und erstmals eine Wahlrechtsreform ohne die
Opposition durchziehen wollen. Das ist Machtpolitik, aber kein
Respekt gegenüber der Verfassung. All das haben Deutschlands höchste
Richter nun mit einer schallenden Ohrfeige für die Koalition
beantwortet. Die Begründung, das neue Wahlrecht verstoße gegen die
Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl sowie gegen
die Chancengleichheit der Parteien, spricht eine deutliche Sprache.
Denn schon vor vier Jahren hatten die Karlsruher Richter das Phänomen
des "negativen Stimmgewichts" gerügt, das durch Überhangsmandate
entstehen kann. Daran hat die Koalition ganz bewusst grundsätzlich
nichts ändern wollen, weil vor allem die Union von dieser Regelung
profitiert. Die Karlsruher Richter hatten in früheren Urteilen die
Überhangmandate noch nicht beanstandet. Doch nun sehen sie, wie die
meisten Wahlrechtsexperten, angesichts der fortschreitenden
Zersplitterung des Parteiensystems die große Gefahr, dass immer mehr
Überhangmandate für eine Partei ohne Ausgleich für die anderen zu
einer massiven Verfälschung des Wählerwillens führen können. Denn das
komplizierte Verrechnungssystem der Mandatsverteilung bewirkt, dass
nicht mehr jede Stimme gleich viel zählt. Dennoch ist das Karlsruher
Urteil leider nicht völlig konsequent. Die Begrenzung auf etwa 15
zulässige Überhangmandate bannt die Gefahr einer Verzerrung des
Wählerwillens nicht völlig. Besser wäre es gewesen, wenn Karlsruhe
eine komplette Abkehr vom Zweitstimmen-Modell verlangt hätte. Bei den
Wahlen von 1949 und 1953 hatte es den Ärger um die Überhangmandate
nämlich überhaupt nicht gegeben - weil damals ein Kreuz auf dem
Wahlzettel genügte, den exakten Wählerwillen zu ermitteln.
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