Schwäbische Zeitung: Wahl zwischen Pest und Cholera - Kommentar
Geschrieben am 02-08-2012 |
Leutkirch (ots) - Mario Draghi eiert herum. Europas mächtigster
Banker drückt sich um klare Ansagen, wie er die Finanzkrise eindämmen
will. Jeder deutet am Ende in Draghis Ausführungen, was ihm in den
Kram passt. Sein wunderlicher Auftritt gestern in Frankfurt steht
sinnbildlich für den Zustand der Europäischen Union: Die führenden
Politiker und ihre Wirtschaftsberater können sich nicht einigen, wie
der Schuldenkrise beizukommen ist.
Es gibt zur Rettung des Euro - vereinfacht gesagt - eine deutsche
Formel und ein Mittelmeer-Rezept. Die Deutschen pochen auf
Sparsamkeit. Sie lehnen eine Vergemeinschaftung von Schulden ab und
wollen Hilfe nur gegen strikte Auflagen gewähren: Geld gegen
Reformen. Mittelmeer-Länder um Frankreich und Italien fordern, dass
die Zentralbank Schuldscheine klammer Länder kauft. Das würde die
Zinslast drücken: Notenpresse gegen Spekulanten. Beide Seiten haben
gute Argumente. Welcher Weg schlussendlich gewählt wird, um den Euro
zu retten, ist akademische Fingerhakelei. Den Menschen kann es völlig
egal sein, wie sich ihr Geld verflüchtigt. Denn eins steht fest: Die
Überwindung dieser Krise wird auf jeden Fall Abermilliarden kosten.
Es bleibt die Wahl zwischen Pest und Cholera, und das sollte Angela
Merkel ihren Landsleuten einbläuen.
Natürlich ist es unfair den deutschen Sparern gegenüber, wenn
Guthaben wegen der niedrigen Zinsen dahinschmelzen.
Selbstverständlich geschieht deutschen Rentnern Unrecht, wenn sie bis
67 arbeiten und viele Franzosen nur bis 60. Und obendrein ist es
gemein, dass brave Steuerzahler für spanische Immobilienhaie
einstehen müssen.
Doch Kategorien wie Gerechtigkeit zählen hier nicht. Die heile
Welt vor Ausbruch der Finanzkrise ist vergangen. Deutschland hat
keine andere Wahl, zumindest teilweise für die Misswirtschaft der
Nachbarn aufzukommen: ob über direkte Zahlungen, höhere Steuern oder
Inflation. Der Euro ist es wert. Die Rückkehr zur D-Mark ist keine
Option, sondern ein Hirngespinst.
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Schwäbische Zeitung
Redaktion
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