DER STANDARD-Kommentar "Assad kämpft auch für den Iran" von Gudrun
Harrer
Geschrieben am 05-08-2012 |
"Die regionale Komponente des Konflikts in Syrien ist immer
klarer zu erkennen" - Ausgabe 6.8.2012
wien (ots) - Die Verurteilung Syriens durch die
Uno-Vollversammlung zeigt das ganze diplomatische Elend rund um
diesen Konflikt: Der rein symbolische Akt kann das Versagen des
Uno-Sicherheitsrats ohnehin in keiner Weise wettmachen. Aber auch
dieser Resolutionstext musste verwässert werden - eine Aufforderung
zum sofortigen Rücktritt Bashar al-Assads war nicht durchzubringen.
Bei 133 Ja-Stimmen kann Syrien zwar nur auf 12 Gegenstimmen (die
eigene inklusive) verweisen, aber immerhin auf 31 Enthaltungen, und
eine Reihe von Staaten glänzte durch Abwesenheit.
Saudi-Arabien hat mit Katar, das den Vorsitz über die Vollversammlung
führt, die Resolution eingebracht. Was Optimisten so interpretieren
mögen, dass die Erkenntnis, dass alle Menschen Recht auf
Selbstbestimmung, Demokratie und Freiheit haben, als Folge des
Arabischen Frühlings auch im Rest der arabischen Welt angekommen ist,
sehen Realisten nur als weiteren Beweis für die regionale, ja
geopolitische Dimension des Konflikts.
Mit seinen zynischen Realitäten: Was das Ausmaß der Gewalt betrifft,
ist es zwar in keiner Weise zu vergleichen, aber man darf notieren,
dass die Schiitengebiete Saudi-Arabiens soeben wieder Schauplatz von
Demonstrationen und Repression waren. Alles iranische Agenten - so
wie in Bahrain, wo eine schiitische Mehrheit gegen ihre
Marginalisierung aufsteht? Das syrische Regime verwendet ja genau das
gleiche Argument für seine Gewaltpolitik: Alles ist eine
Verschwörung, die von außen kommt.
Politikwissenschaftlich mag der Konflikt in Syrien zwar immer noch
als "nicht-internationaler bewaffneter Konflikt" - also Bürgerkrieg -
bezeichnet werden: Noch beschränkt sich die internationale
Beteiligung auf Unterstützung von außen für die Regierung oder für
die Rebellen. Aber die Atmosphäre ändert sich, besonders was die
Rolle des Iran betrifft.
Ohne Umschweife gibt Teheran zu, dass es in Syrien um einen selbst
geht: um den "Widerstand" in der Region. Der Iran stützt deshalb
Assad - das ist jedoch auch umgekehrt richtig, Assad kämpft auch für
den Iran. Er hat sich nicht, wie es die westliche und arabische
Syrien-Diplomatie jahrelang versucht hat, aus der iranischen Umarmung
herauslösen lassen. Das bricht ihm letzten Endes das Genick, denn das
ist es, was Saudi-Arabien und die Golfstaaten bewegt (plus der
Antipathie gegen die heterodoxen Alawiten, die in Syrien Sunniten
regieren).
Der Iran lässt Assad nicht mehr aus - außer, so mögen manche
Strategen denken, er ist mit sich selbst beschäftigt. Selbst
Beobachter, die früher nicht an einen israelischen Militärschlag
gegen den Iran geglaubt haben, sehen jetzt die Wahrscheinlichkeit bei
50:50. Der Anlass wäre die feststeckende Nukleardiplomatie, aber es
wäre auch ein Eingreifen in den Syrien-Konflikt: Der "Widerstand"
würde an zwei Stellen gleichzeitig zu knacken versucht.
Der Konflikt wäre deswegen noch nicht zu Ende, es würde eine andere
Ebene eingezogen werden. Wenn Assad seine Chemiewaffen auspackt oder
der Hisbollah im Libanon weiterreicht, ist mit einer israelischen
Intervention zu rechnen. Sie wäre lokal angelegt, aber niemand kennt
die Dynamik. Und der Iran würde seine Stellvertreter überall auf der
Welt losschicken - aber vielleicht auch das tun, was er laut
vorherrschender Expertenmeinung jetzt noch nicht tut: die
Entscheidung treffen, eine Atomwaffe bauen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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