NDR.de: Vermeintliches DDR-Grenzopfer lebt
Geschrieben am 10-08-2012 |
Hamburg (ots) - René Seiptius ist angeblich seit 31 Jahren tot. So
steht es auf der bis heute maßgeblichen Liste zu den Todesopfern an
der innerdeutschen Grenze. Demnach ist er im Alter von 17 Jahren bei
einem Fluchtversuch aus der DDR in die Bundesrepublik im Harz mit
seinem gleichaltrigen Freund André Bauer ums Leben gekommen - durch
eine an der Grenze montierte Selbstschussanlage der DDR. Aber nach
Informationen von NDR.de lebt Seiptius, sein Name auf der Liste ist
ein Irrtum. René Seiptius ist heute 48 Jahre alt, er wohnt in
Ingelheim in der Nähe von Mainz. Er hat NDR.de seinen gescheiterten
Fluchtversuch geschildert.
Immer noch ist unklar, wie viele Menschen bis 1989 an der "grünen
Grenze" zwischen der Bundesrepublik und der DDR ums Leben gekommen
sind. Eine Liste mit Todesopfern führt die "Arbeitsgemeinschaft 13.
August" am Mauermuseum in Berlin. Auf dieser Liste steht bis heute
der Name René Seiptius. Die Nachricht, dass Seiptius nicht umgekommen
ist, kam für die Direktorin des Mauermuseums, Alexandra Hildebrandt,
überraschend. "Wir freuen uns, dass Herr Seiptius lebt", sagte sie im
Gespräch mit NDR.de. Weshalb sein Name irrtümlich in der
Todesopfer-Liste geführt werde, will Hildebrandt nicht erklären. "Wir
haben unsere Quellen, aber die geben wir nicht preis."
Die Opfer-Liste will Hildebrandt erst nach eingehender Prüfung
korrigieren. "Das kann aber noch einige Zeit dauern." Am kommenden
Montag veröffentlicht das Mauermuseum die aktuelle Version ihrer
Opfer-Liste - wie jedes Jahr am 13. August, dem Jahrestag des
Mauerbaus. Fachleute kritisieren die Liste bereits seit längerem.
"Viele Fälle wurden nur vom Hörensagen aufgenommen, beispielsweise
wenn Bewohner nahe der Grenze oder Verwandte von Fluchtversuchen
berichteten", sagt Jochen Staadt vom Forschungsverbund SED-Staat an
der Freien Universität Berlin. Der Experte für DDR-Geschichte geht
davon aus, dass noch weitere Namen auf der Todesopfer-Liste stehen,
die dort nicht hingehören.
Ein groß angelegtes Projekt von Bund und Ländern soll nun Klarheit
bringen. Ziel ist, die Zahl der Opfer des DDR-Regimes an der
innerdeutschen Grenze genau zu bestimmen. Staadt ist einer der beiden
Projektleiter. "Es geht nicht nur darum, eine möglichst korrekte
Liste aufzustellen, vielmehr geht es auch darum, die Schicksale der
Menschen zu beleuchten."
Der Fall von René Seiptius ist zufällig ans Licht gekommen: Seine
ehemalige Frau hatte im Internet einen Artikel von NDR.de über die
Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze gelesen. Dort ist
auch die Liste der "Arbeitsgemeinschaft 13. August" erwähnt, auf der
der Name René Seiptius zu finden ist. Daraufhin wandte sich Patricia
Seiptius an den NDR mit der Bitte, die Angabe zu korrigieren. Ihr
Ex-Mann habe den Fluchtversuch schwer verletzt überlebt.
Mehr zur Geschichte von René Seiptius auf NDR.de.
Rückfragen an Marc-Oliver Rehrmann, Telefon: 040-4156-3916, oder
Christian Baars, Telefon: 040-4156-3885.
10. August 2012
Pressekontakt:
NDR Norddeutscher Rundfunk
NDR Presse und Information
Telefon: 040 / 4156 - 2302
Fax: 040 / 4156 - 2199
http://www.ndr.de
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