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IVA deckt viele Mängel in Gewässer-Studie auf / Industrieverband Agrar kritisiert dünne Datenlage, unzulängliche Methode und mangelhaften Praxisbezug / Ursachen dringend klären

Geschrieben am 16-08-2012

Frankfurt/Main (ots) - Nach eingehender Analyse eines in der
Vorwoche veröffentlichten Forschungsberichts*) der Universität
Koblenz-Landau bemängelt der Industrieverband Agrar e. V. (IVA)
gravierende inhaltliche und methodische Defizite der Arbeit und
kritisiert den Umweltwissenschaftler Ralf Schulz für seine
sensationsheischende Vermarktung der Studie. Der Wirtschaftsverband
moniert vor allem die willkürliche Datenauswahl bei den Feldstudien
und mangelnde Transparenz bei der Aufbereitung der Ergebnisse.

In ihrer Studie hatten die Wissenschaftler das mathematische
Prognose-Modell FOCUS-SW, das von der Europäischen Union (EU) bei der
europaweiten Zulassung von Pflanzenschutz-Wirkstoffen verwendet wird,
für untauglich erklärt. Sie hätten zahlreiche Abweichungen zwischen
den Werten der Modellrechnung und Messungen in Gewässern in der Nähe
von landwirtschaftlich genutzten Flächen ermittelt. Schulz forderte
daraufhin, das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutz-Wirkstoffe
drastisch zu verschärfen.

Diese Forderung ist aus Sicht des IVA nicht nachvollziehbar; die
Regeln für die Zulassung von Pflanzenschutz-Mitteln sind erst vor
drei Jahren in einer EU-Verordnung (1107/2009) wesentlich verschärft
worden. Die begrenzte Relevanz der Forschungsarbeit für die
europäische Landwirtschaft zeigt sich schon bei näherer Betrachtung
der ausgewählten Feldstudien. Der IVA hatte in einer ersten
Stellungnahme vor einer Woche kritisiert, dass die Forscher
überwiegend Messungen aus anderen Weltregionen heranziehen.

Nur acht der insgesamt 22 Feldstudien, die die Forschergruppe
ihren Berechnungen zugrunde legte, wurden überhaupt in Ländern der EU
durchgeführt: eine in Frankreich, zwei in Italien und fünf in
Deutschland. Der Löwenanteil der Feldstudien stammt aus Südafrika,
den USA, Kanada und Argentinien. Eigene Gewässerproben haben die
Forscher, anders als in manchen Medien berichtet, nicht genommen.

Ebenso wie die nahezu beliebige Auswahl der Orte wirkt auch die
Auswahl der betrachteten Substanzen wenig praxisnah: Viele der
untersuchten Wirkstoffe sind in Deutschland nicht oder nicht mehr
zugelassen bzw. werden in der hiesigen Landwirtschaft nicht
verwendet. Selbst wenn auf theoretischer Ebene so ein Rechenmodell
bewertet werden sollte, bleibt die Frage offen, warum die europäische
Landwirtschaft nur eine untergeordnete Rolle spielte. Immerhin sollte
die Praxistauglichkeit eines EU-Modells überprüft werden.

Auch bilden die Anwendungsbedingungen in mindestens einer der fünf
deutschen Feldstudien nicht den Normalfall der deutschen
Landwirtschaft ab, sondern eine seltene Ausnahme. Konkret ging es um
das Monitoring von Rückständen im Alten Land. Dort wurde im Jahr 2000
das Sondergebiet "Pflanzenschutz im Obstbau an der Niederelbe"
ausgewiesen, und die dortigen Obstbauern waren unter bestimmten
Auflagen von sonst bundeseinheitlichen Abstandsauflagen befreit.
Weder entspricht diese Situation einer normalen Anwendung in der
Landwirtschaft noch ist sie überhaupt durch die Risikobewertung mit
Szenarien des FOCUS-Modells abgedeckt.

Des Weiteren haben sich die Forscher einseitig auf Fehler im
Prognose-Verfahren festgelegt und nicht in Erwägung gezogen, dass die
in der Umwelt gemessenen Konzentrationen auch aus anderen Quellen
stammen könnten als mit FOCUS simuliert. Andere Studien belegen, dass
50 bis 70 Prozent der Einträge in Gewässer auf sogenannte
Punkteinträge, also nicht fachgerechter Anwendung und Handhabung von
Pflanzenschutzmitteln, zurückzuführen sind. Um dies zu unterbinden,
setzt die Industrie hier schon seit Jahren mit intensiver Beratung
an.

Angesichts dieser zahlreichen methodischen Mängel hat sich
Professor Schulz mit seinen weitreichenden politischen Forderungen
nach Ansicht des IVA vergaloppiert. "Acht europäische Datensätze aus
rund 13 Jahren, dazu einige für uns wenig aussagekräftige Studien aus
Ländern mit einem anderen Klima, einer anderen Landwirtschaft und
einer anderen Pflanzenschutz-Regulierung - all das könnte
Anhaltspunkte geben für seriöse Ursachenforschung, warum und unter
welchen Umständen es zu Abweichungen zwischen Prognose und Messung
kommt. Den publizistischen und politischen Theaterdonner, den
Professor Schulz losgetreten hat, rechtfertigt es bei Lichte
betrachtet aber nicht", kommentiert IVA-Hauptgeschäftsführer Volker
Koch-Achelpöhler.

Nach Auffassung des IVA ist es jetzt an den zuständigen
Zulassungsbehörden und ihren unabhängigen Wissenschaftlern, die
Studie zu bewerten und zu prüfen, ob sich trotzdem Anhaltspunkte zur
Verbesserung des FOCUS-Modells für das Zulassungsverfahren ergeben
könnten.

Das von Professor Schulz kritisierte Rechenmodell ist nur eines
von vielen im Zulassungsverfahren eines neuen
Pflanzenschutz-Wirkstoffs, bei dem an vielen Stellen den
Bewertungsunsicherheiten mit hohen Sicherheitsfaktoren Rechnung
getragen wird. In der Praxis dauert die Entwicklung und Zulassung
eines neuen Wirkstoffs übrigens rund zehn Jahre und kostet die
Unternehmen etwa 200 Millionen Euro.

Mehr zum Thema

>> Gewässerschutz: http://www.iva.de/umwelt/gewaesserschutz
>> Zulassung und Kontrolle von Pflanzenschutzmitteln:
http://ots.de/fQ0Ec

*) Anja Knäbel, Sebastian Stehle, Ralf B. Schäfer, and Ralf
Schulz: "Regulatory FOCUS Surface Water Models Fail to Predict
Insecticide Concentrations in the Field", online veröffentlicht in:
"Environmental Science & Technology"

Der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) vertritt die Interessen der
agrochemischen Industrie in Deutschland. Zu den Geschäftsfeldern der
52 Mitgliedsunternehmen gehören Pflanzenschutz, Pflanzenernährung,
Schädlingsbekämpfung und Biotechnologie. Die vom IVA vertretene
Branche steht für innovative Produkte für eine moderne und
nachhaltige Landwirtschaft.



Pressekontakt:
Industrieverband Agrar e. V., Pressestelle
Martin May
Tel. +49 69 2556-1249 oder +49 151 54417692
Fax +49 69 2556-1298
E-Mail: may.iva@vci.de
http://www.iva.de


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