BERLINER MORGENPOST: Praktiker für den Knochenjob
Marius Schneider über die Pläne, Quereinsteigern in Berlin den Weg in den Lehrerberuf zu öffnen
Geschrieben am 23-08-2012 |
Berlin (ots) - Der Mann kann wirklich nichts dafür: Er hat damals
alles gegeben. Er hat uns die Zahlenmaschine geschenkt, als wir
lernen sollten, was eine mathematische "Funktion" ist. Er hat Licht
gedimmt und Blitze zucken lassen, als er uns Zauber und Schönheit
aktiver Elektrizität erklärte. Er hat von Leibniz erzählt und von
Archimedes, Bernoulli und Thales. Von ihren Kreisen und Reihen und
Feuer werfenden Maschinen. Er hat alles versucht, um uns die
Geschichte der Mathematik als Jagd nach dem grünen Diamanten zu
verkaufen. Er war das ganz große Kino an der Tafel: Herr S. war unser
Lehrer in Mathe und Physik. Alles, was er wusste (und er wusste
eigentlich alles), hat er sich durch ein langes Studium angeeignet -
und als Ingenieur bei Siemens. Nur wie man das alles erklärt, das
hatte er, soweit ich mich erinnere, nie studiert - das konnte er
einfach. Und er konnte das richtig gut. Und so lag es, wie gesagt, am
Ende wirklich nicht an ihm, dass es bei mir im Mathe-Abi nicht
wirklich zur goldenen Palme reichte - es lag an mir. Nun soll es also
in Berlin mehr davon geben: Lehrer vom Typ Quereinsteiger, Praktiker
in Sachen Naturwissenschaften - mithin jener Profession, in der wir
unseren historisch guten Ruf vom "Land der Ingenieure" ohnehin kaum
noch verteidigen können. Brandenburg macht es bereits vor. Und da
gerade in diesem Bereich immer mehr Stunden ausfallen und es immer
schwieriger ist, überhaupt Lehrer für Mathe, Physik, Biologie und
Chemie zu finden, hat das Land beschlossen, sich dem Potenzial derer
zu öffnen, die wissen, was man mit dem mühsam erpaukten Schulwissen
im späteren Leben anfangen kann. Gut so! Wie immer im Leben birgt ein
solcher Schritt in Richtung Neuland Risiken. Nicht jeder, der Säuren
und Laugen liebt, weiß auch, wie man mit jungen Menschen umgeht,
ihren unterschiedlichen Begabungen und Fähigkeiten. Und ihnen
chemische Strichzeichnungen nahebringt. Tatsächlich sind die
Erfahrungen mit Quereinsteigern im Bereich der frühkindlichen
Erziehung in Berlin eher ernüchternd. Nur: Zur Wahrheit gehört auch,
dass nicht jeder Lehrer, der semesterlang Pädagogik studiert hat, ein
begnadeter Menschen- und Kinderversteher ist - zumindest in meiner
Erinnerung. Die Herausforderung des Senatsbeschlusses liegt daher,
wie so oft, in der Operationalisierung: Wie sorgfältig können sich
die Schulen ihr Personal aussuchen? Wie stellen sie sicher, dass
tatsächlich nur diejenigen vor die Tafel und in die
Projekträume kommen, die gut Lehrstoff vermitteln und mit den
Kindern gemeinsam erarbeiten können? Und wie stellt man sicher, dass
sich die Kandidaten der besonderen Herausforderung bewusst sind, die
der Lehrerberuf an Motivation, Verantwortungsbewusstsein sowie
psychischer und physischer Kraft darstellt? Denn von der
Populärkarikatur des Lehrers als urlaubsmaximierender und
Pensionsansprüche scheffelnder Staatsdiener sollte sich keiner
blenden lassen. Wenn man es richtig macht, ist das Lehrersein ein
Knochenjob. Herr S. wird sich sicher daran erinnern.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
413365
weitere Artikel:
- Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
Athener Regierungschef Samaras bei Merkel
Griechenland braucht mehr Zeit
HANNES KOCH, BERLIN Bielefeld (ots) - Nicht immer ging es Deutschland so gut wie
heute. Vor zehn Jahren war die Arbeitslosigkeit hoch, steigende
Kosten drohten den Sozialstaat zu ersticken. Dann erfand Rot-Grün die
Hartz-Gesetze. Diese haben einiges dazu beigetragen, dass Deutschland
heute die Lokomotive Europas ist. Daraus sollten wir lernen: Reformen
brauchen Zeit, um zu wirken. Diese Zeit sollte die Bundesregierung
auch anderen Ländern zubilligen. Wenn Griechenlands Premier Antonis
Samaras heute in Berlin um mehr Spielraum für die Sanierung bittet, mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Razzia gegen Neonazis
Recht so
CARSTEN HEIL Bielefeld (ots) - Seit einigen Monaten wird NRW-Innenminister Ralf
Jäger (SPD) aktiv. Er lässt die Polizei wiederholt gegen kriminelle
Rockerbanden und vor allem gegen Neonazi-Kameradschaften ausrücken.
Recht so. Was zunächst den Eindruck machte, Aktivität und Stärke im
Wahlkampf zu demonstrieren, setzt Jäger nach der Wahl konsequent
fort. Es kommt inzwischen als Konzept daher. Genau das ist der
richtige Weg, mit den rechtsradikalen, menschenverachtenden und
demokratiefeindlichen Gruppen umzugehen. Sie dürfen nicht als
"Spinner" mehr...
- Rheinische Post: Plakativer Schlag gegen Neonazis Düsseldorf (ots) - Innenminister Ralf Jäger liebt die Inszenierung
als roter Sheriff. Erst die Salafisten, dann die Rocker und jetzt
verstärkt die Neonazis. Gleichwohl muss man dem Sozialdemokraten
zugestehen, dass mit ihm Nordrhein-Westfalen im Kampf gegen
Rechtsradikalismus und organisiertes Verbrechen eine Vorreiterrolle
einnimmt. Und das ist auch gut so. Dem Innenminister kommt dabei
zupass, dass sich die Rechtsradikalen hierzulande anders als in
Ostdeutschland in Vereinen zusammenschließen. Und die lassen sich
juristisch leicht mehr...
- Rheinische Post: CDU-Allerlei Düsseldorf (ots) - Das demoskopisch belegte Ansehen der Kanzlerin
ist eine Momentaufnahme. Den Deutschen imponieren offenbar Fleiß,
Ernsthaftigkeit und Skandalfreiheit ihrer Regierungschefin. Merkels
Wirken lässt nicht träumen, bringt aber auch niemanden um den Schlaf.
Der schwächliche Zustand von Merkels Partei jedoch entwickelt sich
zur Konstante. Beispielhaft dafür sind die größten CDU-Verbände in
NRW und Baden-Württemberg - abgewählt, ausgedünnt,
christdemokratische Sorgenkinder. Wenn sie nicht bald zu Kräften
kommen, bleibt mehr...
- Rheinische Post: Probe für Hollande Düsseldorf (ots) - Wie belastbar ist die deutsch-französische
Zusammenarbeit seit dem Amtsantritt des Sozialisten François
Hollande? Auf diese Frage gibt es immer noch keine verlässliche
Antwort. Dabei wäre Verlässlichkeit gerade jetzt dringend nötig. Es
gibt keinen Zweifel daran, dass Europa die Schulden-Krise nur dann
bewältigen kann, wenn Deutschland und Frankreich an einem Strang
ziehen. Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Paris hat es
zwar auch früher schon gegeben. Aber erst Hollande hat seine
Differenzen mit Kanzlerin mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|