Südwest Presse: LEITARTIKEL · KOALITION
Geschrieben am 29-08-2012 |
Ulm (ots) - Giftpfeile aus Bayern
Es ist ein typischer Satz der Bundeskanzlerin: "Jeder sollte die
Worte sehr wägen." So lautete die offizielle Antwort Angela Merkels
auf eine Reihe verbaler Unbotmäßigkeiten ihrer politischen
Verbündeten, die in der Ansage des CSU-Generalsekretärs Alexander
Dobrindt gipfelten, Griechenland werde schon 2013 die Euro-Zone
verlassen müssen. War das etwa ein Machtwort der CDU-Vorsitzenden,
wie es sogar von empörten Europa-Abgeordneten der Union gefordert
wurde? Eher nicht. Leidenschaftslos und abwartend reagierte die
Kanzlerin auch in diesem Fall mal wieder. Es bleibt vage, was sie
selbst über die Zukunft und das Schicksal des langjährigen
EU-Mitglieds denkt. So wird Angela Merkel die Geister, die ihr in der
Debatte um die europäische Schuldenkrise auf der Nase herumtanzen,
nicht los. Es ist ja nicht bloß der bajuwarische Stammtischler
Dobrindt, der mit Platzpatronen auf die amtliche Euro-Politik der
schwarz-gelben Bundesregierung feuert, nur halbherzig zurückgepfiffen
von seinem Boss Horst Seehofer. Auch FDP-Vizekanzler Philipp Rösler
und sogar CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder zündeln rhetorisch mit,
so dass der Eindruck entstehen kann, die Regierungschefin wolle sich
so lange wie möglich alle Optionen offenhalten - eine Währungsfamilie
mit oder ohne die Griechen. Am Ende der parlamentarischen Sommerpause
also nichts Neues in Berlin: Die Koalition bietet zu vielen Themen
einen dissonanten Chor, zur Energiewende, zum Betreuungsgeld, zur
Reform des Verfassungsschutzes, zur Homo-Ehe. Und die Frontfrau führt
nicht, sondern steuert einen unentschiedenen Mittelkurs auf kurze
Sicht. Ihre Kritiker werden einstweilen durch erstaunlich positive
Umfragen für die Kanzlerin in Schach gehalten. Merkel lässt die Hunde
bellen und zieht mit ihrer Karawane unbeirrt weiter, das einzig
erkennbare Ziel heißt: Wiederwahl im nächsten Jahr. Hat es nicht
schon Helmut Kohl auf ganz ähnliche Weise gehalten? Dass die
Demoskopen die Bundeskanzlerin persönlich hoch handeln, nicht aber
die drei Parteien ihres bürgerlichen Lagers in gleichem Maße, macht
besonders die CSU nervös. Was haben Seehofer und die Seinen davon,
dass Angela Merkel so beliebt ist wie nie, wenn ihnen bei der
Landtagswahl im Herbst 2013 erneut die eigene Mehrheit verwehrt wird
und obendrein die Liberalen als gerade noch geduldete Juniorpartner
abhandenkommen? Nur vor diesem Hintergrund sind die verzweifelten
Querschüsse des CSU-Generals zu erklären. Sinn machen sie allerdings
nicht, denn jeder aufgeklärte Zeitgenosse erkennt sofort ihr rein
taktisches Motiv. Außerdem birgt Dobrindts populistische Holzerei
gegen Athen das Risiko, als hinterhältiger Angriff auf das moderate
Krisenmanagement der Kanzlerin gedeutet zu werden und für Unmut
gerade bei den eigenen Stammwählern zu sorgen. Es ist das ewige
Problem der CSU, wenn sie im Bund mitregiert: Dann will sie immer
auch ein bisschen Opposition bleiben und der Parteischwester CDU die
Zähne zeigen, was nicht einmal dem legendären Franz Josef Strauß mit
durchschlagendem Erfolg gelungen ist. Passend dazu legt in diesen
Tagen Wilfried Scharnagl, langjähriger Chefredakteur des CSU-Organs
"Bayernkurier", ein Buch mit dem Titel vor: "Bayern kann es auch
allein". Als ernsthafte Drohung an die Adresse der CDU-Kanzlerin
dürfte das Werk kaum verfangen. Und doch kann Angela Merkel die
Kraftmeiereien aus München nicht achselzuckend ignorieren. Sie
vergiften das Koalitionsklima in Berlin und verhindern in der
Endphase dieser Wahlperiode, dass die Regierung die lange Liste
unerledigter Probleme in den nächsten Monaten wenigstens teilweise
noch abarbeiten kann.
Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
414354
weitere Artikel:
- Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Merkel bekommt Ergebnisse des Zukunftsdialogs
Zukunft für Machthaber
LENNART KRAUSE Bielefeld (ots) - Offenbar hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine
exklusive Definition von Zukunft. Anders ist es nicht zu verstehen,
dass sie ihre Kampagne "Zukunftsdialog" nannte. Merkel leitet sie mit
den Worten ein: "Wie sieht Deutschland in fünf bis zehn Jahren aus?"
Diese kurze Zeitspanne spiegelt nicht die Zukunft Deutschlands wider,
sondern die einer Regierungschefin, die in Legislaturperioden denkt.
Bis 2022 könnte Merkel schließlich noch Kanzlerin sein. Die
wirklichen Zukunftsprobleme der Deutschen werden erst in zwanzig bis mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Regionalflughäfen unter hohem Wettbewerbsdruck
Kurs halten
MATTHIAS BUNGEROTH Bielefeld (ots) - Doch, es gibt auch gute Nachrichten: Air Berlin
teilt mit, die Fluggesellschaft bleibe ein wichtiger Anbieter von
Flügen auf dem Flughafen Paderborn/Lippstadt. Die Aufgabe der Nutzung
eines Technikhangars zum Frühjahr 2013 hatte Gerüchte um einen
Abschied auf Raten von dem OWL-Regionalflughafen geschürt. Diese
Nachricht ist für Flughafenchef Elmar Kleinert so etwas wie der
berühmte Silberstreif am Horizont in turbulenten Luftfahrtzeiten in
Deutschland. Trotz weltweit boomenden Flugverkehrs stehen die
Airlines wie mehr...
- Der Tagesspiegel: Merkel fordert Menschen mit Behinderung zu politischem Engagement auf Berlin (ots) - Berlin. "Ich kann Menschen mit Behinderung nur
ermutigen, sich politisch zu engagieren. Es gibt aber leider in
unserem Leben insgesamt immer noch zu viele Barrieren, die wir
beseitigen müssen, auch wenn wir dabei Fortschritte machen", sagte
Angela Merkel zum Auftakt der Paralympics in London in einem
Interview mit der Paralympics Zeitung, die am Donnerstag dem
Tagesspiegel, der Zeit und dem Handelsblatt beiliegt. Die
Bundeskanzlerin spricht darin mit Schülerreportern über die Wirkung
der Spiele und über die Rolle mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Kabinett senkt Rentenbeitrag
Altersarmut verdrängt
ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN Bielefeld (ots) - Nun hat also das Kabinett den Rentenbeitrag
gesenkt. Damit bekommt ein Durchschnittsverdiener ab 2013 rund sieben
bis neun Euro mehr pro Monat. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben.
Aber Gesetze kann man auch ändern. Ob die Rückzahlung wirklich
zukunftsorientiert ist, steht auf einem anderen Blatt. Denn eine
Lösung für das Problem der Altersarmut lässt weiter auf sich warten.
Die Ausweitung des Niedriglohnsektors im vergangenen Jahrzehnt macht
sich allmählich bemerkbar. Schon heute sind immer mehr Rentner in
Minijobs mehr...
- NRZ: Von der Hand in den Mund - ein Kommentar von PETER HAHNE Essen (ots) - Die Rentenversicherung schwimmt in Geld. Rund 30
Milliarden Euro Reserven wird sie bis Ende des Jahres angehäuft
haben, weil der Arbeitsmarkt gut läuft. Wenn die Bundesregierung
jetzt also die Beiträge senken will, folgt sie damit nur dem Gesetz
und auf den ersten Blick auch der ökonomischen Vernunft. In Wahrheit
ist die Beitragssenkung jedoch kurzsichtig und unvernünftig.
Richtig ist: Die Senkung fällt mit mehr als fünf Milliarden Euro
ansehnlich aus. Bricht man den Betrag indes auf einzelne Beschäftige
herunter, mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|